Weblog & Podcast von Volker Strübing

Ich bin nicht so doof, wie die Marketingleute glauben (oder wie sie es gerne hätten).

Datum: 13.06.06
Kategorien: Werbung, Zumutungen

Wenn ich in den letzten Monaten mal zu McPaper musste, habe ich schon vorher Pickel gekriegt, weil ich wusste, was mich an der Kasse erwartet:

“Möchten Sie zu den Briefumschlägen vielleicht noch einen Schreibblock?”
“Darf’s zu dem Bastelpapier noch eine Schere sein?”
“Wollen Sie zu dem Notizblock vielleicht noch einen Kugelschreiber?”

Sie nennen es Service, eigentlich geht es um Absatzsteigerung und letztlich ist es eine Beleidigung. Für wie blöd halten die mich? Welche Antwort erwarten die? “Oh, was für eine tolle Idee: ein Schreibblock zu den Briefumschlägen – da habe ich ja sogar was, was ich in den Briefumschlag reintun kann! Ham sie vielleicht auch Briefpapier mit vorgedrucktem Text? So doof wie ich bin, wäre das sehr, sehr hilfreich!”

Gestern habe ich die Verkäuferin gefragt, ob sie das tun müsse und sie hat traurig genickt und als ich anfügte, dass ich das schrecklich fände, hat sie geseufzt und noch einmal genickt. Scheinbar war es ihr genauso unangenehm wie den Kunden. Und irgendein Marketingtrottel oder Werbemensch, jemand, der sich selbst womöglich als “Kreativen” bezeichnet, ist stolz auf die geniale Service-Idee …

Mein Vorlesekollege Jürgen Witte vom Frühschoppen und der Reformbühne Heim und Welt hat mal sinngemäß zu mir gesagt: Es gibt einfach keinen Respekt mehr untereinander. Wie soll man auch Respekt voreinander haben, wenn man weiß, was man selbst und die anderen alles für peinliche, dumme Dinge tun und tun müssen, um Geld zu verdienen … Mist, ich kriegs nicht mehr ganz hin, muss Jürgen nochmal danach befragen, er hatte das wunderbar auf den Punkt gebracht.

Naja. McPaper ist eh doof – das Schlecker der Schreibwarenbranche – ein Grund mehr dort nicht hin zu gehen.

8 thoughts on “Ich bin nicht so doof, wie die Marketingleute glauben (oder wie sie es gerne hätten).

  1. Ein nahezu identisches Gespräch hatte ich kürzlich mit einer Kassiererin bei Karstadt. Da ging es um irgendwelche Kundenkarten und die Damen da an der Kasse müssen sogar damit rechnen, dass von der Zentrale Testkäufer geschickt werden und es ordentlich Ärger gibt, wenn sie mal nicht fragen.

  2. Luxus: ein alteingesessener Papierladen 100m von McPaper entfernt. Mit guter Beratung, wenn ich eine Frage habe und aufrichtiger Freundlichkeit. Hoffentlich bleiben die. Bei McPaper war ich schon seit 2 Jahren nicht mehr.

  3. Wie es auch geht:
    >>
    Was willst Du Arschloch?", heißt er mich freundlich willkommen.
    "Pass mal auf, du Schwein", grüße ich höflich zurück. (…) "Du gibst mir jetzt am besten ziemlich flott nen Sack von dem unbrauchbaren Scheißzeuch hier!"
    "Hmm … Scheißzeuch hamwanich, du Fotze", bedauert der Chef lächelnd. "Aber in die Fresse kannste haben, und das nicht zu knapp", bietet er zuvorkommend an. Die Beratung hier ist absolut vorbildlich.
    <<
    Aus: "Hähnchen leider" von Uli Hannemann

  4. Es genügt wohl nicht mehr, dass man seine Zeit und Energie zu Markte trägt um ein Auskommen zu haben, man muss sich erst vollends zum Affen machen. Die Verkaufenden können sich bestenfalls noch eine Maske fröhlicher Begeisterung überstreifen, damit sie ihre Demütigung nicht zu offen zur Schau stellen. Auch das Lächeln in der Stimme beim Telefonat genügt schon lange nicht mehr, es muss schon mindestens der Orgasmus in der Stimme sein. Was kommt danach, wenn auch diese Strategie ausgereizt ist?

  5. das nennt man “cross-selling” und man merkt direkt, dass die mitarbeiter der marketingabteilung noch nie im laden gestanden haben, sonst wüssten wie wie realitätsfern sowas ist.

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