Weblog & Podcast von Volker Strübing

Was nicht passt …

Datum: 8.04.08
Kategorien: Nachrichten aus der Scheinwelt, Weltall, Erde, Mensch

Als es mir neulich jemand erzählte, hielt ich es für eine Ente. Isses aber nicht, wie ich nach kurzem Googeln feststellen musste. Es ist ein alter Hut, nur ich habe im Februar 2007, als es durch die Medien ging, nichts davon mitbekommen:

Es ist kein Scherz: In Löbau macht die Woba kurzerhand Zimmer dicht, um Wohnungen zu verkleinern. Denn ist das Domizil eines ALG-II-Empfängers unangemessen groß, wird ein Raum einfach abgesperrt. 95 Fälle gibt es schon.

Quelle: SZ-Online.de

Da es in Löbau nicht genug kleine, billige Wohnungen für Hartz-IV-Empfänger gibt und das Amt zudem den lobenswerten Vorsatz hatte, möglichst vielen Betroffenen einen Umzug zu ersparen, kam man auf diese naheliegende Idee. Aber ich kann mir nicht helfen: Für mich klingt das wie ein Schildbürgerstreich. Nüscht gegen die Leute vom Amt – die haben eben gesetzliche Vorgaben, die sie erfüllen müssen, und immerhin haben sie eine ziemlich kreative Lösung gefunden … aber absurd ist es trotzdem.

Auszug aus einem Zimmer. Betty Kahlert muss diesen Raum in ihrer Wohnung bald geräumt haben – nicht ganz freiwillig. Ein paar persönliche Sachen sichert die arbeitslose Lehrerin vorsorglich. Doch wohin mit den sperrigen Möbeln? Da hofft sie noch auf eine Lösung. Schließlich muss der Raum völlig ausgeräumt werden.

[…]

Ihr Vermieter begnügt sich ab sofort mit der geringeren Miete und schließt dafür ein Zimmer zu. Ob dieser Raum dann auch wirklich nicht genutzt wird, das kontrolliert Ulrike Wendler von der Wohnungsverwaltung Löbau.

O-Ton: Ulrike Wendler und Betty Kahlert

“Frau Kahlert, die Frau Wendler. Schön Guten Tag Frau Kahlert.”
“Guten Tag Frau Wendler.”
“Ich hatte mit Ihnen schon telefonisch gesprochen, ich möchte mir gerne das Zimmer ankucken.”
“Aber gerne, sie wissen ja, geradeaus.”
“Ja, gut.”
“Also wir haben es soweit zusammengeräumt.”
“So wie wir das abgesprochen hatten.”
“In den nächsten Wochen wird mein Sohn…”

Ein bisschen Glück im Unglück. Sie bekommt eine kleine Übergangsfrist, um die Möbel nicht wegwerfen zu müssen. Den Raum betreten darf sie schon jetzt nicht mehr und der Zimmerschlüssel bleibt in der Hand von Ulrike Wendler. Eine neue Situation – jetzt heißt es zusammenrücken.

Quelle: mdr.de

Da wird also etwas künstlich entwertet, damit es die Armen weiterbenutzen dürfen. Vielleicht sollte man ihnen auch noch Löcher in die Kleider schneiden und all ihre Bücher mit einem “Mängelexemplar”-Stempel versehen?

Keine Ahnung, wie das finanziell läuft. Das Geld, dass daduch gespart wird, dass den Btroffenen nur die Mite für eine kleinere, “angemessene” Wohnung überwiesen wird, fehlt ja der Wohnungsbaugesellschaft an Mieteinnahmen, es ist also überhaupt nichts gewonnen, außer dass dem Buchstaben des Gesetzes Folge geleistet wurde und ein paar Löbauer endlich nur noch das haben, “was ihnen zusteht”. Ulkige Welt.

(Volker Strübing)

11 thoughts on “Was nicht passt …

  1. Das hat mittlerweile aber Schule gemacht!!!

    Ein Freund von mir wohnt in Rheinsberg, ist zwar nicht Arbeitslos aber macht eine staatlich geförderte Ausbildung.
    Dem wurde von vornherein ein Zimmer abgeschlossen.

    Eigentlich ist das doch ganz gut gemacht. Die Mieter müssen nicht umziehen, sie können bleiben. Der Staat erfüllt seine Pflicht (ohne dabei über das “Soll” zu kommen) und der Vermieter kann einen Mieter halten. Wenn auch mit weniger Einnahmen. Aber besser es steht ein Zimmer brach als eine ganze Wohnung.

  2. @ HevoB
    Na toll, so genau haben wir uns das 21. Jahrhundert vorgestellt und im 22. ziehen wir dann alle in den Keller, denn ‘erstens müssen wir dann das Haus nicht wechseln und zweitens steht dieses dann auch nicht leer’.
    Fortschritt wir kommen!

  3. Das mit dem Löcher in die Bücher und auf alle Kleider n MÄNGELEXEMPLAR-Stempel sind gute Ideen.
    Und wenn das Auto zu viel Steuern kostet, hau ich ein Paar Beulen rein und fahr mir in Brandenburg die Stoßdämpfer kaputt. Und die Frisur sieht extra scheiße aus, damit die Kontrolette von der Arge auch glaubt, daß der Schnitt bloß n Fünfer gekostet hat. Dabei wars viel teurer, hihi. Und…
    Los, mehr Vorschläge!

    “I am so very proud to be a citizen of this wonderful country, ruled by a WOMAN named ANGEL, a female angel, can you imagine this, a FEMALE ANGEL, thank you so very much.” (David Haselhof)

  4. Ogott, ich hatte ja schon gehört, dass sie in Löbau um neun die Bürgersteige hochklappen und man nicht mal mehr zur Party HIN kommt, aber das ist ja wohl die Höhe.

    Dazu noch zwei Geschichtchen. Diese andere Hartz-IV – Regelung mit WG oder Lebensgemeinschaft, die ein Paar dazu gebracht hat, auseinander zu ziehen. Was für eine Perfidie.

    Und vor kurzem habe ich noch erfahren, dass Arbeitslose Urlaub nehmen müssen, wenn sie mal weg wollen, weil sie ja dann dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Kann man ja verstehen, bei dem Arbeitskräftemangel.

    @Volker, hab grade Deinen Vorrundentext von einem Berliner Slam und das Sarah-Kuttner – Interview gesehen (tötet keine glücklichen Tiere). Sehr schöner Text, hats denn auch mit dem gewinnen geklappt? Oder von einem Öko-müsli rausgekegelt worden?

  5. Kreativität ist halt gefragt in der heutigen Zeit, da darf sich die Bürokratie gerne beteiligen. Schließlich gibt es doch den so genannten Ermessensspielraum. Das gilt allerdings nicht für die Leistungsempfänger: Wenn diese kreativ werden, ist es “Leistungsbetrug” – da endet der Spielraum beim Ermessen des Sachbearbeiters.
    @benni: Vorsicht, wenn Du die Bürokraten als Spinner bezeichnest. Schließlich sind sie die Herrscher in dieser schönen neuen Welt. Bei Ämtern und Behörden zählt nach meiner Erfahrung jedenfalls leider nicht mehr der Text des zu Grunde liegenden Gesetzes, sondern die Person des Sachbearbeiters. Wie nennt man solch eine Regierungsform? Fachdespotie?

  6. Heisst dass, wenn ich mir ne Zündkerze rausdrehe kann ich meine KFZ-Steuer um 25% reduzieren? Bei meiner alten Karre fällt dsas auch nich mehr auf, ob der nu auf 3 oder 4 Töppen läuft. mhm – und in der Versicherung müsste er dann auch weniger kosten – fährt ja dann nicht mehr so schnell, stellt also ein geringeres UnfallRisiko dar. Dann schliess ich noch die Hinteren Türen ab (fahr sowieso höchstens zu zweit). Ob das hilft? :)

  7. @Tilman
    Nenn mir eine Alternative, die besser scheint???
    @bloggenfueranfaenger
    Leider hast du da Recht.

  8. Herr Strübing, das ist jetzt kein böser Zynismus, den ich da bei Ihnen las und bei der Frau Generator entdeckte?

    Für mich ist das aus der “Das haben wir auch nicht gewusst, als die Nachbarn damals geholt werden”-Welt. Wie zynisch ist denn das? Nicht Ihr Text, sondern das Denken, das dahinter steht.

    Willkommen im Sozialdarwinismus des deutschen Bürokratentums. Wie Benni oben schon kommentierte, da wird von einer leeren Kasse in eine andere leere umgebucht und die Menschen in ihren Wohnungen, die ja sicher nur aus Sozialschmarotzertum in ihrer Wohnung bleiben wollen, werden zugrunde verwaltet.

    Nee, da ist aber was ganz oberfaul im Staate.

  9. Die Praxis gibt es bereits länger und nicht nur in Löbau.

    Wenn man darüber nachdenkt, dass dieser Kontroll-Schwachsinn dann auch noch vom Steuerzahler finanziert wird. Vor allem: der Vermieter muss da erst mal mitspielen, die wenigsten haben dafür Verständnis. Inwieweit der Mieter dann «schwebend» als Mietkürzender ohne rechtlichen Hintergrund gilt und somit relativ kurzfristig das Mietverhältnis gekündigt werden kann, darüber reden die Behörden nicht so gerne. Bei ihnen können dann auch nicht die Kosten für einen Umzug eingefordert werden kann (Kannleistung), weil dem ALG II-Bezieher ja nicht von Seite der Agentur der Zwangsumzug aufgedrückt wurde und er die Kündigung selber zu verantworten hat.

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