Weblog & Podcast von Volker Strübing

Schnipsel vom 8.3.2011

Datum: 8.03.11
Kategorien: Schnappschüsse, Schnipsel, Unterwegs

Wird Zeit, dass ich mich hier mal wieder melde. Manchmal habe ich keine Lust zum Bloggen. Außerdem war ich viel unterwegs. In den nächsten 10 Tagen fahre ich noch nach Dresden, Chemnitz, Zürich und Darmstadt. Mit dem Zug – jetzt fragt mich mal, was ich vom Lokführerstreik halte!

Nüscht halte ich davon. Egal, ob die Forderungen berechtigt sind oder nicht. Der Strek ist nämlich vollkommen sinnlos. Es wird so ablaufen wie die letzten Male: Ein paar Hunderttausend Leute werden irgendwo festsitzen, nicht in den Urlaub oder nicht auf Arbeit kommen und dann einigen sich Gewerkschaften und Arbeitgeber irgendwie, beide Seiten sind am Ende nicht ganz zufrieden, feiern aber ihren Sieg bzw. ihre Kompromissbereitschaft. Es ist doch so: Alle wissen, dass die Lokführer streiken können und welche Folgen das hat – warum kann man also nicht einfach davon ausgehen, dass sie es bereits getan haben und sich unter dieser, nur ein bisschen Fantasie und Kreativität erfordernden Prämisse zusammensetzen. Wozu muss man das nochmal durchziehen? Vielleicht können zur Vorbereitung die Vorstände der Bahngesellschaften und die Gewerkschaftschefs einen Tag auf einem zugigen Provinzbahnhof herumstehen und damit sozusagen symbolisch die Passion unzähliger Bahnreisender auf sich nehmen (die ja ohnehin am Ende die höheren Löhne über die Fahrkarten mitbezahlen, was als Zeichen unserer Solidarität schon ausreichen sollte).

Die Verhandlungsführer mögen sich doch bitte einmal die ersten Kapitel von “Per Anhalter durch die Galaxis” durchlesen und Ford Prefects sehr intelligente Argumentation bezüglich des Mann-im-Matsch-vor-Bulldozer-Problems zu Herzen nehmen.

(Düsseldorf, Sparkassenforum)

In der Zeit der Warnstreiks mussten Micha und ich von Düsseldorf nach St.Gallen fahren und hatten Glück. Inmitten des großen Chaos’ kam ausgerechnet unser Zug nur mit 10 Minuten Verspätung an. Sowohl in Düsseldorf als auch in der Schweiz war es sehr schön – herzliche Grüße und vielen Dank an dieser Stelle nocheinmal an Christine, Markim, Lisa, Richi und Rainer!

(Trogen)

Herrlich war es im noch immer verschneiten Trogen (Endhaltestelle einer der Appenzeller Bahnen, gerne auch als “Endstation Trogen” bezeichnet) mit der Jacke über der Schulter und hochgekrempelten Ärmeln bei strahlendem Sonnenschein durch den Schnee zu Stiefeln!

(Trogen)

Ebenfalls Gruß und Dank an Michl und Martina, denen ich die Frankentour und herzliche Aufnahme während der selben verdanke. 5 Tage habe ich bei ihnen in Nürnberg gewohnt – Zeit genug für ein paar Beobachtungen in der Stadt:

Nürnberg eine wunderbare Stadt zum Bummeln und Shoppen. Direkt im Zentrum ist natürlich alles voll mit den üblichen Mode- und Parfümerieketten und mit ungemütlichen Bars, die sich nicht zu schade sind, sich „Bar Celona“ zu nennen, sowie mit langweiligen Brillengeschäften, deren Geschäftsführer sich fragte: „Was können wir tun, damit niemand merkt, dass unser Brillengeschäft total langweilig ist? Klar: Wir nennen es : ‘Das verrückte Brillenhaus’ und ‘verrückt’ schreiben wir mit so einem komischen verrutschen, hihi, sozusagen verrücktem ü!“. An einem chinesischen Schnellimbiss, dessen Schaufenster komplett mit Schnapsflaschen zugestellt ist, verspricht ein Schild: „Alle Asia Saft Döse 1 Euro!“

Doch etwas abseits findet man Geschäfte mit heimeligen und klingenden Namen wie „Küchen Loesch“, „Pelz Böck“, „Blumen Stier“, „Koffer Kopf“, „Schirm Hahn“, „Uhren Christfeld“, „Gardinen Möser“ und „Samen Edler“ – über die letzten beiden sind sicher schon genug Witze gemacht worden, das kann ich mir also sparen. Zur Sicherheit möchte ich jedoch anfügen, dass es sich bei Samen Edler tatsächlich um ein Geschäft für Pflanzensamen handelt und nicht um einen türkischen Schnellimbiss – vor einigen Jahren geriet Nürnberg in die Schlagzeilen, als in einem Döner Sperma gefunden wurde.

Nürnberg geriet freilich schon so einige Male in die Schlagzeilen, erinnert sei hier zum Beispiel an die Reichsparteitage im dritten Reich. Stilhäschen, deren Blog ich schon lange mag und die ich in Nürnberg bei einem Kaffee und einem Bier kennenlernen konnte und die ich benefalls ganz gerzlich grüßen möchte, wies mich auf das nette Detail hin, dass ausgerechnet in Nürnberg die erste vollautomatische und damit führerlose U-Bahn Deutschlands fährt, was ein schönes Zeichen gegen historische Kontinuitäten ist, wie ich finde. Apropos Hitler.

In Nürnberg, wie in ganz Bayern gilt ein äußerst strenges Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden – nur in psychatrischen Kliniken und im Gefängnis gibt es noch die Möglichkeit drin zu rauchen. Wie sich die damit verbundene Steigerung der Attraktivität besagter Einrichtungen auf die geistige Gesundheit und die Kriminalitätsrate der Bayern auswirken wird, bleibt abzuwarten. Kneipen schicken einen jedenfalls ausnahmslos vor die Tür – ohne Bier, denn das muss zum Kompott auch noch drin bleiben. Sebastian Frankenberger, der Initiator dieser strengen Antirauchergesetze ist deshalb gelegentlich als Nazi beschimpft und mit Hitler verglichen worden. Das geht entschieden zu weit, finde ich, das hat Hitler nicht verdient. (Und da ich heute so in Grußlaune bin, grüße ich an dieser Stelle Frédéric. Er wird wissen, warum.)

(Nürnberg)

Eine Postkarte, die ich in einem Souvenirladen kaufe, erläutert, worauf man in Nürnberg besonders stolz ist:  „Die Hauptstadt Frankens hat viele Attribute, wie: Meistersingerstadt, Dürerstadt, Stadt der Lebkuchen und der Bratwürste, aber auch des Weihnachtsmarkts“. Ein wichtiges Attribut fehlt: Hauptstadt der hässlichen Teenager. Unglaublich, welche Mühe sich gerade hier viele Jugendliche dabei geben, möglichst beschissen auszusehen. Zwei von ihnen stehen im Hauptbahnhof auf der Rolltreppe hinter mir und reden mit schrillen Stimmen über irgendeinen „Spast“, der sich ihren Unwillen zugezogen hat. Ich drehe mich um und sehe zwei junge Migrationshintergründlerinnen, deren mangelnder Geschmack darauf hindeutet, dass sie zumindest in der Hässliche-Teenager-Szene erfolgreich integriert sind.

„Ieeehh! Der hat mich angeguckt!“, keift die eine, als sie mich sieht. „Bähhhh, der is ja voll hässlich!“, keift die andere. Ich antworte: „Mensch Mädel, wenn du MICH hässlich nennst, welche Worte bleiben dir dann noch, um dich selbst zu beschreiben? Knautschzone? Bundeskanzleramt? Saft Döse?”

Leider, oder besser gesagt: Zum Glück fällt mir diese pfiffige Antwort erst 5 Minuten später ein und der Fahrkartenautomat, dem ich sie mit gerechtem Zorn ins Angesicht schleudere, antwortet mit der Gegenfrage, ob ich Bahn-Comfort-Punkte sammle. Keine Ahnung, was passiert wäre, wenn ich etwas schlagfertiger gewesen wäre. Ich habe große Angst davor, einmal von ein paar pubertierenden Mädchen verkloppt zu werden, denn ich weiß nicht, welche Benimmregeln in einem solchen Fall für Männer gelten. Mit deeskalierenden Gesprächstaktiken hätte ich es gar nicht erst probieren brauchen, Worte des Friedens wären auf ähnlich fruchtbaren Boden gefallen wie ein Blumensamen auf dem Mond. Klar ist auch: Wegrennen, um Gnade flehen oder um Hilfe rufen fällt aus, da könnte man sich genauso gut öffentlich kastrieren und für alle Zeiten von seinem Posten als zumindest potentieller Teil des evolutionären Reigens zurücktreten. Zurücktreten bzw. Zurückschlagen geht aber irgendwie auch nicht – ein Mann der junge Mädchen schlägt, was ist das denn bitteschön für ein Arsch? Zumal der Ausgang eines Kampfes in diesem Falle ungewiss gewesen wäre – irgendwie hatte ich den Eindruck, dass die Streetfighting-Skills der beiden höher waren als die meinen.

Für Verhaltenshinweise wäre ich dankbar.

(Lisa, Richi, Maximilian auf dem Weg ins weiße Nichts …)


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(VS)


6 thoughts on “Schnipsel vom 8.3.2011

  1. “Ich säg dir gleich die Beine ab” ist eine gute Entgegnung, finde ich. Leicht zu merken und sie verleiht dir, bei entsprechendem Gesichtsausdruck, die unbesiegbare Aura eines Wahnsinnigen. Vielen Dank, Volker, für deine Postkarte aus Nürnberg.

  2. Hallo Volker,
    was, wenn ich fragen darf, machst du in Darmstadt? Ich wohne in dieser Stadt und würde die Gelegenheit, dich live bei einem Auftritt oder so zu sehen gerne wahrnehmen. (Berlin ist so weit…)

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