Ich frag mich manchmal schon, was ich hier eigentlich tue. Wie kann ich mir anmaßen, Artikel zu kommentieren, die Volkswirtschaftsdozenten im Wirtschaftsteil einer großen deutschen Tageszeitung veröffentlichen? Ich hab nicht mal studiert.
Andererseits: Die Serie heißt “Erklär mir die Welt” und es müsste schon ein schlechter Lehrer sein, der seine Schülern, wenn sie sich eigene Gedanken über das Gehörte machen, anbrüllt: “Du hast doch gar keine Ahnung!”
In der letzten Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung beantwortete Ulrich van Suntum die Frage: “Warum ist Reichtum keine Sünde?”
Bevor ich auf den Artikel eingehe, eine kurze Erklärung: Ich halte Reichtum nicht grundsätzlich für Sünde, ich hege derzeit keine Enteignungspläne, und wenn ich plötzlich reich wäre, würde ich mich nicht schämen, sondern freuen.
Obwohl … würde ich mich wirklich freuen? Wenn ich dem Artikel glauben darf, ist das Leben der Reichen sehr, sehr hart, denn: “Wer reich ist, hat es schwer mit der Anerkennung in unserer Gesellschaft.” Und: “Die Reichen tragen die Last” (Überschrift Infografik). Und niemand will ihnen helfen: “Einen Minderheitenschutz können sie für sich nicht reklamieren, auch wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen.” ‘
Schutzlos dem Neid des Pöbels und den gierigen Klauen des Staates ausgesetzt, weinen sich die armen Reichen in ihren Villen in den Schlaf …
Das größte Problem ist natürlich die Steuer. Im Artikel wird wieder einmal die traurige Weise von den 10 % der Bevölkerung, die mehr als die Hälfte der Einkommenssteuer bezahlen, gesungen. Die Strophe des Liedes, die erzählt, dass diese 10 % auch mehr als die Hälfte des Vermögens besitzen, wird allerdings weggelassen.
Vorbild müssen die Vereinigten Staaten und die angelsächsischen Ländern sein, denn dort gilt Reichtum als “Beweis von harter Arbeit, Klugheit und Erfolg”. Irre ich mich, oder schwingt da ein Vorwurf an diejenigen mit, die es nicht zu Reichtum gebracht haben?
Und was ist mit Leuten, die einfach nur geerbt haben? ist es Klugheit, sich die richtigen Eltern zu suchen? Was ist mit Leuten, die leistungsloses Einkommen aus ihrem Kapitalvermögen ziehen? Harte Arbeit?
“Die moralische Beurteilung des Reichtums hängt nicht zuletzt auch davon ab, was man mit seinem Wohlstand anfängt.”
Diesen Satz könnte ich sofort unterschreiben. Allerdings nicht das, was dann kommt: “Es ist darum auch kein Zufall, daß in den Ländern mit niedriger Einkommensteuer das private Mäzenatentum meist hoch im Kurs steht.”
Also: Steuern runter, dann spenden die Reichen auch ordentlich?! Freiwillige Umverteilung von oben statt staatlichem Sozialsystem? Man sieht ja in den USA, wie gut das funktioniert! – Ups, jetzt habe ich einen dummen Denkfehler gemacht. Es geht ja gar nicht darum, allen Menschen ein menschenwürdiges Leben zu sichern, sondern darum, sie anzuspornen: “Im Merkantilismus (…) galt die Schaffung von Reichtum als gesellschaftlich erstrebenswert. (…) Selbst der zügelloseste Luxuskonsum hatte noch sein Gutes, spornte er doch den „faulen und liederlichen Pöbel“ dazu an, sich anzustrengen, um möglichst daran teilzuhaben. Eine vergleichsweise positive Sicht des Reichtums findet man heute noch in den angelsächsischen Ländern, namentlich in den Vereinigten Staaten.”
Die meisten Reichen seien übrigens sehr bescheiden, schreibt der Autor, und kurz darauf wird der Artikel vollkommen merkwürdig: “Selbst diejenigen Reichen, die privat im Luxus schwelgen, geben anteilmäßig von ihrem Einkommen in aller Regel viel weniger für den Konsum aus als die Masse der Bevölkerung, vom Staat ganz zu schweigen.”
Wie jetze? Der Reiche, der es nicht schafft, sein hohes Einkommen auf den Kopp zu hauen, als Vorbild für die Hartz-IV-Mutti, die schon 5 Tage vor Monatsende ihr ganzes Geld verpulvert hat? Häh? Ich nehme mal an, das ist irgendwie anders gemeint, mir ist aber nicht klar, wie.
Ist es übrigens korrekt, zu schreiben, dass der Staat sein “Einkommen” für den “Konsum” ausgibt – konsumiert er Arbeitslose, wenn er ihnen Unterstützung zahlt? Hm, bestimmt – der Autor lehrt schließlich Volkswirtschaft und kennt sich aus.
Vielleicht hätte ich dieses Posting in das FAZ-Forum zum Artikel setzen sollen. Dort wartet man sehnsüchtig auf “Gutmenschen”, über die man herfallen kann.
(Die FAZ erklärt die Welt I: “Warum gibt es Zinsen?”)
(Die FAZ erklärt die Welt II: “Warum Vollbeschäftigung möglich ist”)