Aus Gesprächen weiß ich, dass ich nicht der einzige war, der nach dem Trara um die Papst-Rede dachte: “Meine Fresse, jetzt reicht’s aber mal!” Für einen Moment ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass man einfach eine Mauer hochziehen sollte zwischen uns und denen, so dass jeder auf seiner Seite vor sich hinwurschteln kann und man sich nicht in die Quere kommt. Sollen sie doch dort die Frauen verschleiern wie Würste im Schlafrock, während sie bei uns – das andere Extrem – bald ganz nackt rumrennen müssen, um nicht als spießige Zicken zu gelten …
Schon die Kategorien “wir” und “die” sind natürlich völliger Quatsch. Wenn ich durch Berlin laufe und mir die vielen vernörgelten, selbstverliebten oder wutzerknirschten Hackfressen anschaue und mich dann an Indonesien erinnere, weiß ich schon gar nicht mehr, auf welcher Mauerseite ich eigentlich leben wollen würde …
Und vor allem darf ich nicht vergessen (und auch da hilft die Erinnerung an Indonesien), dass die Papstpuppenverbrenner nicht die Mehrheit der Moslems sind. Während des Karikaturenstreits gab es in allen Nachrichtensendungen Bilder von einer Demonstration in Jakarta, dänische Fahnen brannten, die Ungläubigen sollten sterben etc. pp. Etwas später habe ich dann herausgefunden, dass diese Demonstration etwa 600 Teilnehmer hatte. Jakarta hat (je nach Zählung) zwischen 8,5 und 17,5 Millionen Einwohner. Wenn in Berlin eine S-Bahn ausfällt, ist der Volkszorn im Verhältnis gesehen größer.
Die reißerische Berichterstattung über das Problem wird zum Teil des Problems, indem sie uns zu solchen Reaktionen wie oben beschrieben verleitet und bei den gemäßigten Muslimen wahrscheinlich den Druck erzeugt, sich klar auf die eine oder andere Seite zu stellen.
Zum Schluss muss ich noch eine gewisse Häme dem Vatikan gegenüber eingestehen: Im Rahmen des Karikaturenstreits hatten sie sich noch bei den Beschwerdeführern eingeschleimt und versucht, selbst Kapital aus der ganzen Sache zu schlagen … da möchte man ihnen jetzt schon gerne eine Nase drehen.
Vor drei Tagen hat übrigens ein Radio-Vatikan-Redakteur (oder so) in einem Interview rumgeheult sinngemäß gesagt, dass er diese Sache und das Missverständnis ganz schlimm fände, da man doch eigentlich den selben Feind habe: Die Gottlosigkeit des Westens.
(Volker Strübing)
Das mit dem Zählen gilt übrigens auch für Rom. Es gibt es eine große, wenn auch nicht exakt bezifferbare Anzahl von Einwohner, aber nur einen Papst.
“da man doch eigentlich den selben Feind habe: Die Gottlosigkeit des Westens” Jaja, teile und herrsche! Ich als Atheist wünsche mir in solchen Situationen noch viel mehr Religionen.
Und wahrscheinlich wollten SIE (ich weiß, klingt paranoid) uns bloß dazu bringen, eine Papstrede zur Kenntnis zu nehmen.