Ich also, neulich in der Leipziger Bahnhofsbuchhandlung kaufe ich mir also das Heft GEO WISSEN „Kindheit und Erziehung – Die ersten 10 Jahre“. Weil, einmal 8 € ausgegeben und 10 Jahre Ruhe, ist doch ein guter Deal, denke ich. Auf 6 Seiten gibt´s das Geo-Wissen-Gespräch zum Thema „Brauchen wir den Elternführerschein?“ Natürlich meinen sie das nicht so, sie meinen einen Kinderführerschein (oder meinetwegen einen Elternschein), weil zahllose Kinder von ihren Eltern vernachlässigt würden. Dazu werden von zwei Redakteuren zwei Experten befragt. Einer ist Jugendforscher und die andere – na rate mal, liebe Blogleserin, lieber Blogleser, rate mal was die andere ist: Psychologin, Pädagogin, Juristin mit Spezialisierung auf Familienrecht, Politikerin? Falsch geraten, sie ist evangelische Landesbischöfin.
Der Jugendforscher plädiert für einen Elternführerschein (obwohl er eigentlich für einen Kinderführerschein ist), für entsprechende Schulungen und Elternkurse. Die Bischöfin warnt vor einer Erziehungsdiktatur, Pflichtkurse – Achtung jetzt kommt´s – erinnern sie zu sehr an die DDR.
Na das ist ja ein Ding. Ich wusste gar nicht, dass es in der DDR Pflichtkurse für Eltern gab. Haben die nicht im Osten jeden, aber auch wirklich jeden, zum Kinderkriegen ermutigt? Ich weiß, dass man eine Erlaubnis von der Arbeitsstelle brauchte, wenn man eine Ausländerin oder einen Ausländer heiraten wollte, oder wenn man in den Westen reisen wollte, aber von Pflichtkursen für Eltern im Sozialismus lese ich zum ersten mal. Aber es wird schon stimmen, was die Frau Landesbischöfin sagt, sonst hätten ihr der Jugendforscher oder die zwei Redakteure doch widersprochen, oder? Andererseits wäre dies mal eine schöne Gelegenheit gewesen, auszuwerten, welche Erfahrungen in der DDR mit den angeblichen „Elternführerscheinen“ gemacht wurden. Warum fragt niemand danach, was ist das überhaupt für ein Expertengespräch? Die Frau Bischöfin jedenfalls verzichtet auf einschüchterndes Fachwissen oder gar Empirie. Stattdessen verspürt sie Unbehagen, sträuben sich ihr die Nackenhaare, findet sie etwas anmaßend, könnte sich anderes vorstellen, würde bei manchem stärker auf Intuition setzen, kommt ihr manches schon sehr verwissenschaftlicht vor, kennt sie ein afrikanisches Sprichwort und hält den Glauben für eine gute Möglichkeit, für sich eine Basis zu finden.
Versteht mich nicht falsch! Ich möchte kein verwissenschaftlichtes Expertentum. Ich verlange keine Kompetenz, wenn ich Geld für eine Zeitschrift ausgebe. Kompetenz und Demokratie sind unvereinbar. Und Zeitschriften sollen nicht belehren und erklären sondern unterhalten. Aber, man kann weitaus unterhaltsamere Meinungen zu eigentlich jedem Thema auftreiben, als dieses pfäffische popische Gesülze. Warum nicht einen Buddhisten mit einem Neonazi diskutieren lassen. Eine Prügelstrafenbefürworterin mit einer Feministin, oder sonstwen? Hey, ich zahle 8€ dafür!
Oder man könnte auch – wie langweilig – etwas seriöses abdrucken. Was mit Hand und Fuß. Und nicht der Kirche die Gelegenheit bieten, sich als opinion leader zu präsentieren.
Außerdem glänzt GEO WISSEN so doll, dass man es nicht als Unterlage für eine optische Maus nehmen kann.
(Andreas Krenzke)