Neulich hat mir jemand erzählt, dass der schwerste Mann Deutschlands gestorben sei. Ich habe mir sofort den Jubel im Haus des bislang zweitschwersten Mannes vorgestellt, der ihn nun um den Titel beerben würde. Ein kurzer Jubel, der rasch von der Scham, sich über den Tod eines Menschen gefreut zu haben, verdrängt wird. Doch an die Stelle der Scham tritt gleich darauf der Trotz: Verdammt noch mal, denkt der nunmehr schwerste Mann Deutschlands, ich habe nur 100 Gramm weniger als er gewogen, ich habe genauso unter meiner Last gelitten wie er, aber ohne den Ruhm und die Ehre einzuheimsen! Ist es nicht verständlich, dass ich mich jetzt freue, die Krone errungen zu haben? Und ist der Tod nicht eher eine Erlösung für ihn, so wie er es für mich sein wird?! Soll sich mein Nachfolger ruhig freuen, wenn ich sterbe! Und auf den Trotz folgt die Trauer, die Trauer über den absehbar frühen Tod und das schreckliche Leben zuvor, und für einen Moment spürt er den Willen, dieses Schicksal abzuwenden und den Titel „schwerster Mann Deutschlands“ nicht durch Sterben, sondern durch gesundes Essen und Bewegung loszuwerden. Doch schon bei dem Gedanken an die Größe dieser Aufgabe packt ihn Verzweiflung – er greift nach dem 10-Kilo-Eimer Kartoffelsalat. Er beobachtet seine mächtige, schwammige Hand, wie sie in die Pampe greift, und er ekelt sich vor dieser Hand und vor seinem mit der Couch verwachsenen Körper (bin ich eigentlich ein Cyborg?, fragt er sich manchmal), vor seinem wabbligen Fleisch und schwachem Geist und er wünscht sich, er wäre an Stelle des anderen gestorben, denn sein Leben ist sinnlos. Er ist widerlich und hat noch nie irgendetwas zustande gekriegt, er ist ein Verlierer, er ist … er stutzt: Er ist der amtierende schwerste Mann Deutschlands! Das soll ihm erst einmal jemand nachmachen! Und er jubelt innerlich, bis die Freude von der Scham, sich über den Tod eines Menschen gefreut zu haben, verdrängt wird …
Oh Mann, solchen Scheiß denkt man sich auch nur aus, um für einen Moment dem eigenen gedanklichen Kreisverkehr zu entkommen.
(Volker Strübing)
PS: Unglaublich: Die Google-Suche nach “der schwerste Mann Deutschlands” bringt nur einen Treffer – einen Artikel der Gubener Zeitung von 1908. Gab’s da nicht mal so ein Spiel, bei dem man solche Suchanfragen finden sollte? Naja. Demnächst sind es ja dann wohl zwei Seiten, die Google findet ;-) Ich hatte übrigens mit ein paar hundert Treffern gerechnet. In den Boulevardmedien wurde sicher darüber berichtet (irgendwoher muss es ja auch mein Bekannter gewusst haben) und im Internet herrscht diesbezüglich Schweigen? Komisch, komisch. Oder steckt irgendein Rechtschreibfehler in der Suchanfrage, den ich einfach nicht finden kann?
Mittlerweile sind es 6, Volker.. und 5 sind von dir ;)
Jetzt sind es 3 und zwei von dir.