Neulich gab es auf Spreeblick einen Artikel über die Nato, darüber, welchen Sinn sie jetzt noch hat, welche Legitimation. Unter anderem schrieb Frédéric:
In erster Linie wird in der Nato entschieden, wer der Feind ist. Die Aussenwelt gilt immer noch als Bedrohung, und wenn ein Nato-Einsatz stattfindet, wird sich gern auf die „gemeinsamen Werte“ berufen. Dass die Erweiterung jetzt stattfindet und Frankreich sich wieder eingegliedert hat, zeigt, wohin die Reise gehen soll: die Nato will mehr Einfluss haben im Weltgeschehen.
und später:
Ob und inwiefern die Nato noch Sinn macht, wenn die amerikanische Hegemonie zu bröckeln beginnen wird und der vielzitierte Multilateralismus Einzug halten wird, das wird sich zeigen.
Man könnte also sagen, die Nato dient der Aufrechterhaltung der westlichen Vormachtstellung und wird mit deren Ende überflüssig.
Der Artikel zog allerlei Antiamerikanismus-Vorwürfe auf sich, auch die seltsame Theorie, er diene als Werbung für die re:publica, wurde aufgestellt. Will ich nüscht zu sagen, stimmt ja vielleicht beides ;)
Bemerkenswert fand ich aber diesen Kommentar von Rustaveli:
Wann begreifen diese westlichen Wohlstandsmilchbubis eigentlich, dass sie sich was anderes als “westliche Vormachtstellung” nicht wünschen… Herrje
Uns geht es doch im Großen und Ganzen recht gut, und dass das so ist, liegt zu einem großen Teil eben an der ökonomischen und militärischen Vormachtstellung des Westens. Erst der wirtschaftliche Aufschwung auf Kosten der Umwelt und der armen Länder hat uns in die Position gebracht, wo wir ein großes Gewese um bürgerliche Freiheiten und Menchenrechte machen konnten. (Ich entschuldige mich für alle Vereinfachungen und Verallgemeinerungen und vor allem für das unsägliche “uns”, aber das ist keine wissenschaftliche Abhandlung, das sind bloß ein paar Gedanken nach dem ersten Kaffee.) Bei allen Träumen von einer gerechteren Welt und einer Gleichberechtigung der Nationen und Menschen, muss doch gesagt werden, das ein Leben wie wir es führen, in keinem Fall allen Menschen der Welt gewährt werden kann. Nicht nur wegen der ökologischen Folgen, nein, vor allem deshalb, weil unser Wohlstand ohne die Ausbeutung anderer Teile der Welt nicht möglich wäre. Es muss eine erste Welt geben, die die iPhones und Turnschuhe kauft und eine zweite und dritte, die sie zusammenbastelt oder -näht. (Nochmal: Entschukldigung für die Vereinfachung!) Und der reiche Teil der Welt muss in der Lage sein, seinen Reichtum und seine Einflusssphäre zu schützen und auszudehnen, schließlich sind wir zum Wachstum verurteilt.
Gibt es die Option: “Uns soll es so gut gehen wie bisher oder noch ein bisschen besser UND die ganze Welt soll gerechter, ökologischer, friedlicher werden”? Oder muss man sich (natürlich nur ganz geheim, im Dunkeln und unter der Decke) fragen, ob man trotz aller Ideale und Träume nicht ganz zufrieden mit seinem Platz auf der Gewinnerseite ist?
(V.S.)
Ist was wahres dran, aber ich würde (trotz des Aufmerksam machens auf die Vereinfachungen) meinen Namen nicht unter diesen Text stehen lassen …
Der “Platz auf der Gewinnerseite” ist doch schön, nur sollte man ihn so nach und nach mit Verantwortung füllen und die Möglichkeiten nutzen, materiell, ideell und kommunikativ am Gefälle zu baggern. Das sind kleine Schritte, die keine großen Demonstrationen benötigen, sondern nur Verstand und eine Nichtkorrumpierbarkeit auf dem kleinsten Nenner. Die Nato ist eben für manche überflüssig und für andere, wie die baltischen Staaten ist es eine, wenn auch sehr unsichere Wand an die sie sich anlehnen können. Ich kenne leider sehr viele G8 – und G20 – Antiglobalisierungsreisende, die weit weniger für den Abbau des Wohlstandsgefälles tun, als Menschen die ihr Geld in Fernost oder Latainamerika verdienen. Kurz: Den Ausblick vom Hügel des Gefälles bitteschön nutzen um klarer in die Zukunft zu schauen.
Klar ist was wahres dran und wenn wir ehrlich sind, sind wir glücklich auf der “Gewinnerseite” zu sitzen und hier unseren Kommentar druntersetzen können und das wir uns über so etwas Gedanken machen können. Klar ist das Beispiel ausgelutscht aber: in Afrika müssen sich die Menschen mehr Gedanken darum machen wo sie als nächstes zu Essen herbekommen oder wie sie halbwegs verbünftig leben können. Elementar sind wir gut versorgt und eben auch darüber hinaus. (jetzt hab ich statt uns wir benutzt (auch nicht besser))
Nanu jetzt fehlt hier noch das aber! :
Aber es ist schwierig das zuzugeben und (ich hoffe ich versteh HevoB richtig wenn ich ihm zustimme) wenn man diese Meinung eben ehrlich vertritt dann wird man schnell schief angeguckt und es heißt gleich: Willste dahin ziehen?? Nö! will ich nicht.
Lange Rede, gar kein Sinn:
Ich meine das die Welt gerechter und friedlicher und ökologischer werden kann! das Problem ist das wir dazu wahrscheinlich zu viele Menschen sind :( … will ich jetzt sterben? Nö!
Letzter Gedanke
Greenpeace vertritt ja die Meinung das alles eben bloß falsch verteilt wird. Ich hab gelesen das es billiger ist das Getreide welches nicht gebraucht wird oder unter irgendwelche Normen fällt zu entsorgen statt es nach Afrika zu bringen und zu verteilen (Denn es ist trotzdem noch gut essbar und die wären damit zufriedener)
Mmh jetzt hab ich schon wieder ne halbe Stunde über diesem Gedanken verbracht…
Getreide nach Afrika verschenken versaut die afrikanischen Märkte.
Obwohl Müll dahin zu verklappen versaut deren Umwelt der Unterschied ist das sie mit ersteren mehr anfangen könnten.
Aber das ist alles nicht so einfach ist ein verflucht kompliziertes System, welches sich da entwickelt hat.
Auch du kannst was tun indem du nur fair gehandelte Waren kaufst und bei Lebensmittel auf Regionalität und Ökokennzeichnung achtest. Wenn du es dir leisten kannst….
Ich würde da fast sagen, was Rustaveli stört, ist die Doppelmoral. Das ständige “eigentlich müsste man…” und diese Schuldeingeständnisse, die außer zu ein paar netten Gesten zu nichts führen; denn der status quo ist insgeheim doch jedem lieb.
Meine persönliche Reines-Gewissen-Theorie ist ja folgende. Das Gefälle von 1. und 3. Welt ist im Prinzip in Ordnung, solange sich die Menschheit insgesamt zum Positiven entwickelt. Wenn natürlich die einen immer reicher werden und die anderen dafür immer ärmer werden müssen, ist nichts gewonnen. Aber ein Wohlstandsgefälle kann auch eine gewisse Dynamik reinbringen – allerdings auch nur im fairen Wettbewerb.
Das klingt vielleicht ein wenig zynisch, ist aber ehrlicher als oberflächlich betroffen zu sein, weil es einem steht (etwa so wie Vegetarier mit Ledertaschen).
@Jürgen: Das mit den fairgehandelten und ökologisch sinnvoll angebauten Lebensmitteln ist eigentlich ein Beispiel, dass die These von den Wohlstandsbubis, die aus einer bequemen Position heraus eine gerechte Welt fordern, untermauert. Wie Du schon schreibst: “Wenn du es Dir leisten kannst …” Ich kenne natürlich keine Zahlen, aber ich könnte mir vorstellen, dass der Prozentsatz von SUV-Besitzern und Vielfliegern unter den Kunden eines Fair-Trade-Öko-Bio-Trallala-Marktes größer ist, als beim Aldi in Wedding.
@Volker: Es gab mal ne wissenschaftliche Studie dazu die deine Vorstellung untermauert. Man hat an Hand von Energiebilanzrechnungen festgestelle das ein Typ mit Dosenbier aus dem Aldi, und Fertignahrung (auch mit Fleich und Fisch) umweltgerechter (energieverbrauchssparsamer) lebt als ein aufmerksamer Öko (Vegetarier und Fairtrader) aus dem Berliner Umfeld. Finde die gerade nicht. Die lief mal durch alle Medien vor der Dosenpfandeinführung. Vielleicht finde ich sie doch noch. Muss aber erst mal arbeiten. MfG
Also, ich seh das so:
Klar gibt es dieses übergeordnete Wohlstandsgefälle zwischen 1. und 3. Welt. Aber es ist auch so, dass es Wohlstandsgefälle genauso auch IN der 3. Welt gibt. Nicht alle Menschen in Afrika wissen nicht, wo sie ihr Essen für den Tag herbekommen sollen. Es gibt auch ebenso Menschen, die genug haben und eben auch Menschen ausbeuten – oder umbringen, vorzugsweise die Machthaber selbst.
In China in irgendwelchen Betrieben, wo unsere Handys zusammengeschraubt werden, werden von den Geschäftsführern noch nicht mal die geringen von der Regierung vorgeschriebenen Arbeitsstandards eingehalten und die Arbeiter dort quasi wie Sklaven gehalten. Warum? Weil sie eben auch jeden Yen (?) aus der Produktion rausquetschen wollen.
Warum ist das so?
Ich meine, das ist so, weil wir alle – egal in welcher Welt wir leben – ein tief sitzendes Gefühl haben, das es nicht reicht. Ein gutes Beispiel dafür ist hier in den Kommentaren schon gekommen: Man könnte ja fair-gehandelte Ware und ökologisch angebautes Gemüse kaufen – wenn man es sich denn leisten kann. Ja, was? Ich denk, wir sitzen hier im Wohlstandnest? Also könnten es wir uns doch wohl leisten, oder? Wär doch nur ne Frage der Prioritätensetzung. Aber nein, so einfach ist das dann eben nicht, weil man plötzlich doch das Gefühl hat, zu kurz zu kommen, selbst nicht genug zu haben dafür.
Also: So lange “wir” daran nichts ändern (können), an dem Empfinden, zu kurz zu kommen und nicht genug zu haben, so lange wird sich das Prinzip der ökonomischen Ausbeutung nicht ändern.
Stell ich mal so in den Raum…
Ist das Empfinden “zu kurz zu kommen” ein nette Umschreibung für Egoismus?
Mich hat letzten November der Welttoilettentag ja doch ganz schön zum Nachdenken gebracht. Klingt komisch, ist aber erklärbar. Ich hatte folgenden Bericht in der taz gelesen:
http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/spueltoiletten-als-falsches-vorbild/
Und da wurde mir mal wieder klar, dass es selbst bei so grundlegenden Dingen, wie sanitären Anlagen noch lang hin ist mit Gleichheit und Brüderlichkeit. Zum Teil wie man an diesem Beispiel sieht aus falschen Vorstellungen heraus. In den westlichen Industriestaaten will niemand weg von seiner feinen Wasserspülung, die aber es aber so letzlich nicht für alle geben kann. Die Trockentoilette scheint für unsere Vorstellung ein Unding, obwohl sie keineswegs einen hygienischen Abstieg bedeuten würde…aber erklär das mal Menschen, die wahrscheinlich noch nie ihren eigenen Haufen begutachtet und panische Angst davor haben…Scherz bei Seite. Ist tatsächlich ein recht merkwürdiges Beispiel, um über Gerechtigkeit in der Welt zu diskutieren, aber hatte mir gezeigt, dass es eben schon bei den für uns selbstverständlichsten Gewohnheiten beginnt, dass umgedacht werden muss, wenn wir tatsächlich Verantwortung übernehmen wollen.
(So, das hab ich mir jetzt nicht nochmal duchgelesen, was ich da fabriziert habe. Also entschuldigt evtl. Gedankenlücken und Rechtschreibfehler)
Auf die Trockentoilette ;)
@lambada: Was Rustavelli stört, ist, dass ich nicht glauben will, wir würden demnächst von blutrünstigen Islamisten geflutet werden. Und weil ich nicht einsehen will, wie wunderbar überlegen die westliche Zivilisation ist und wie rückständig all die anderen Drittweltländer doch sind, kommt er unter jedem Artikel damit, wie verblendet ich bin.