Eine meiner unangenehmsten Macken oder besser gesagt: Eins meiner peinlichsten Defizite ist es, dass ich oft Leute nicht wiedererkenne. Es ist vielleicht noch verständlich, wenn es sich um Leute handelt, die ich mal bei einem Auftritt getroffen habe, denn das sind sehr viele Leute. Aber selbst da wird es schon bedenklich, wenn man zumindest mal miteinander geredet oder sogar ein Bier getrunken hat. Leider beschränkt es sich aber nicht darauf. Mit der folgenden Geschichte gelang es mir sogar, Kathrin Passig zu beeindrucken, die aus eigener leidvoller Erfahrung ausgewiesene Expertin auf diesem Gebiet ist.
Es muss jetzt ungefähr zehn Jahre her sein. Damals fand LSD noch im Keller des Zosch statt und ich war noch Mitglied und stand jede Woche auf der Bühne. Eines Abends, es war sehr voll und ich drängelte mich fünf Minuten vor Beginn der Show zur Bar durch, um irgendetwas mit dem Licht oder dem Ton zu klären, sprach mich eine Frau an. Sie kam mir vage bekannt vor, aber ich wusste einfach nicht, woher und wie gut ich sie kannte. Ich hatte damals gerade beschlossen, das Problem offensiv anzugehen und in solchen Fällen nachzufragen, statt es durch irgendwelches unverbindliches Rumhalloen und Undwiegehtsgeplapper zu überspielen.
Ich sage also: “Ah hi, ähm … entschuldige … woher kennen wir uns gleich nochmal?”
Die Frau schaut mich mit riesigen Augen an und sagt: “Ich bin deine Schwester!”
Wir waren schon im Keller, im Boden versinken fiel also zu meinem großen Leidwesen aus. Wahrscheinlich werde ich die Geschichte bis an mein Lebensende gelegentlich um die Ohren gehauen bekommen – und zwar völlig zu Recht! Ich versuchte es ihr – und vor allem mir selbst – zu erklären. Es muss daran gelegen haben, dass ich gerade im Stress war. Bei Auftritten bin ich oft ziemlich von der Rolle und dann war da noch das Problem, das schnell gelöst werden musste und in wenigen Minuten würde ich am Mikro das Publikum begrüßen müssen und außerdem: Meine Schwester war seit Jahren nicht bei einer unserer Veranstaltungen gewesen, sie gehörte nicht zu den Leuten, die ich mit unserer Show in verbindung brachte, ihr Besuch war eine Riesenüberraschung. Eine schöne eigentlich, wenn ich nicht alles verdorben hätte. Mann, war das peinlich.
Ein paar Jahre später kam sie überraschend zu einem Auftritt, den ich irgendwo in Süddeutschland hatte, da sie mit Familie in der Nähe Urlaub machte. Sie schickte vorsichtshalber ihren Mann vor, der zu mir kam und sagte: “Hallo Volker, ich bin dein Schwager und guck mal, das dort hinten ist deine Schwester … nur um euch die Peinlichkeit zu ersparen …” Aber eins weiß ich ganz sicher. Mit ihr wird mir das nicht noch einmal passieren.
Heute, auf dem Rückweg von ein paar Besorgungen, in Gedanken versunken, kam mir ein Mann entgegen. Er schaute mich an, ich schaute zurück, wendete dann aber den Blick ab, weil ich keine Lust auf eins dieser Blickduelle im Vorübergehen hatte und außerdem meinen Gedanken zu Ende denken wollte. Wozu ich dann aber doch nicht kam, weil mir ein paar Meter später siedendheiß die Erkenntnis kam, dass das ein Bekannter und Nachbar war. Ich bleib stehen, drehte mich um, konnte mich aber doch nicht dazu durchringen, hinterherzurufen oder zu -laufen.
So etwas ist natürlich für beide Seiten unangenehm. Für den Nichterkannten, der sichentweder zu Recht beleidigt fühlt oder, wenn er eher der Kloß-Typ ist, die Schuld bei sich sucht. Und für den Nichterkennenden, der sich wie ein Arsch fühlt und zudem an seinem Verstand zweifelt.
Interessant ist natürlich die Frage, woran es liegt. Ich bin in allen Dingen ziemlich vergesslich, aber in diesem Bereich ist es doch ausgeprochen schlimm (vielleicht fällt es mir in diesem Bereich auch nur besonders auf, weil es mich immer wieder in größere oder kleinere soziale Bredouillien bringt). Die unangenehmste Interpretation ist natürlich, dass es an einem generellen Desinteresse den Mitmenschen gegenüber liegt, aber ich glaube lieber an eine ganz normale und irgendwie ja auch sympathische Prosopagnosie. Bleibt nur die Frage, ob apperzitiv, amnestisch oder kongenital. Und wie ich den Typen wieder loswerde, der mir immer beim Zähneputzen gegenübersteht und mich nachäfft.
Vielleicht hat aber auch einfach Frau Passig Recht.
Lesetip: Ira Strübel über die größte Gefahr im Internet. Mit Prosopagnosie-Bezug!
Auch umgedreht kann es peinlich sein. Weil ich mich ebenfalls sehr schlecht erinnern kann, habe ich einmal einem jungen Mann, welcher mir fröhlich zuwinkte, die Hand geschüttelt und etwas a la “Na, wie gehts dir und wat machste so” gestammelt, bis mir jener junge Herr mitteilte, dass er mich gar nicht kenne, sondern jemand anders, welcher bereits hinter mir stand, mit seinem Gewinke gemeint hatte. Seitdem versichere ich mich immer vorher, ob tatsächlich auch ich gemeint bin.
Sehr schön! Und stell Dir jetzt noch vor, Du hättest ihn vorsichtshalber “Schwesterherz” genannt!
hoffentlich hat es nichts mit http://de.wikipedia.org/wiki/Prosopagnosie zu tun …
Hey Volker, mach dir keinen Kopp, hab mich ja lange nicht rasiert und die bunte Skimütze aufgehabt. Mir tat es fast leid dich so lange neugierig anzustarren, wo es doch sonnenklar schien, dass du gerade an dein Schwester dachtest und über deinen neuen Tagebucheintrag zur Gesichtsblindheit nachsannst. Aber als ich mich umdrehte, um dir hinterherzurufen, dass du dir ja wenigstens mal deinen Briefkastengenossen merken könntest, warst du schon im sechsten Absatz versunken. Also hielt ich meine Klappe. Jetzt weiß ich wenigstens worüber du nachgedacht hast. Bis bald an der Mülltonne,
dein Nachbar
Hey, ich habe das auch und es hat auch bei mir schon zu vielen peinlichen Situationen geführt. Aber bei Face-Detection fällt mir ein, dass Facebook doch jetzt bald Gesichter erkennen können soll. In Zukunft also nur noch ein Foto mit dem Handy machen, hochladen und Facebook kann dir dann sagen ob es einer deiner Freunde ist.
Reto U. Schneider hat 2008 einen schönen Text im “NZZ Folio” dazu geschrieben:
Reto U. Schneider hat 2008 einen schönen Text im “NZZ Folio” dazu geschrieben: “Hurra, ich ticke nicht richtig!”
http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/bfce7c5f-50b1-4a1c-92d1-ba25033792fb.aspx
*Puh* ein Glück bin ich da nicht alleine. Normalerweise kann ich mir gut Dinge merken und auch viele Personen noch lange zuordnen. Aber an manchen Tagen scheine ich total neben mir zu stehen.
Mein schlimmstes Erlebnis war mal, als ich meine eigene Mutter nicht mehr erkannt hab. Das war vor… mehr als 10 Jahren, ich muss da 9 oder 10 gewesen sein und sie war mit meiner Tante nach Polen zum Friseur gefahren. Als sie wiederkamen stand auf einmal eine fremde Frau mit kurzen blonden Haaren vor mir und freute sich sichtlich. Hab dann verunsichert an ihr vorbei meine Tante gefragt, ob dies eine andere Tante von mir ist, die ich bis dato noch nie gesehen hätte. Meine Tante dann “nein, das ist deine Mutter”…. omg wie schlimm.
Es passiert mir auch heute noch manchmal, dass ich (beim Einkaufen) Leuten hinterherlaufe, die ich für meine Mutter halte oder einfach anquatsche. Rabentochter oder unaufmerksam?
Mir geht es da ähnlich. Auch ich kann mir Gesichter und die Geschichten dazu garnicht merken. Aber mein Mann kann das und ist darin wirklich richtig gut – erschreckend gut.
Mich tröstet hingegen, dass ich mir einmal gelaufene/gefahrene Wegstrecken sehr gut merken kann und mich nie verlaufe und auch nach Jahren wieder irgendeinen Weg finden kann.
Könnte theoretisch auch ein Augenproblem sein. Mir passiert Ähnliches vor allem deshalb, weil ich auf einem Auge OP-bedingt einen Teilausfall nahe des zentralen Bereichs habe (Skotom). Schon mal eine Gesichtsfelduntersuchung gemacht?
..ich kann mir weder die Namen noch die Gesichter unserer Kunden merken, aber ich erinnere mich an die dazugehörenden Grafiken. Wegbeschreibungen müssen mir mittels Geschäften und Plakatwänden erläutert werden.
Mir ging es ähnlich wie Ahne (1. Kommentar). Beim Sport lief ich einem Mann über den Weg, den ich meinte zu kennen. Direkt flog mir ebenfalls ein: “Ach – HALLO” raus; ich blieb stehen, schüttelte ihm die Hand, er lächelte freundlich und während des Händeschüttelns fiel mir auf: “Scheiße – das ist Heiner Brand und ich kenn den ja gar nicht.” DAS war mir echt peinlich… Vor allem,als mir dann vor lauter Schreck noch “DAS ist ja toll” raus flog… Heiner Brand hat nur gegrinst :)
Das “Problem” bei mir: Ich habe ein sehr gutes Gesichtsgedächtnis. Wenn ich die entsprechende Person jedoch nicht im gewohnten Kontext treffe (und sie eher flüchtig kenne) brauche ich einen kurzen Moment, um die Person richtig einzusortieren. Scheint allerdings den Personen dann öfter auch so gegangen zu sein. Ohne Arzthelferinnen-Kittel konnte mich mein Gegenüber oftmals auch nicht zuordnen :)
Also bis auf den letzten Satz muss ich sagen: Du bist nicht alla-ein: alle Menschen, mit denen ich nur selten zu tun habe, erkenne ich in den seltensten Fällen wieder. Da scheint das Enzephalon zu sagen, pups, unwichtig.
Nur in der Familie und im engsten Kollegenkreis funktioniert das ganz gut. Aber wehe, es hat sich einer die Haare gefärbt oder sitzt an einem anderen Schreibtisch.
“Oh, hallo, bist Du neu hier?” – “Nein, ich arbeite hier schon seit drei Jahren.” (Unbedingt vermeiden!)
Offensiv damit umgehen. “Tut mir leid, ich bin gesichtsblind!”. Nach der notwendigen Erklärung die einsetzende Betroffenheit/Mitleid ganz langsam an sich abperlen lassen.
Die beste Frau (die jeden wiedererkennt, der ihr vor X Jahren in der Straßenbahn das Halbprofil zugewandt hat) von allen als “Herold” einsetzen: “(flüster) … “Da kommt …, den haben wir zuletzt am … gesehen. Netter Gesprächspartner, aber nicht auf Golfspielen ansprechen. Drei Kinder. Hat vorgestern Geburtstag gehabt. Mittelfester Händedruck. Lieblingsfarbe Ocker, trinkt seinen Kaffee schwarz mit drei Stück Zucker.”
Unwissenheit ist ein Segen.
Auf die Gefahr hin, hier als Erbsenzähler dazustehen: ;)
Das Problem liegt hier offenbar nicht in der „Detection“, sondern in der „Recognition“, d.h. nicht in der Gesichtserkennung, sondern der Wiedererkennung.
Du bist (vermutlich) durchaus in der Lage, bei Deinem Gegenüber das Gesicht als solches zu erkennen – sonst würdest Du möglicherweise auch Hinterköpfe, Schaufensterpuppen und Telefonzellen ansprechen. Nur fällt es Dir anscheinend schwer, zu einem Gesicht, das Dir bekannt sein müsste, Informationen abzurufen.
das ist eindeutig gesichtsblindheit, hab ich auch.
kann man sich btw als behinderung anerkennen lassen.
Mir geht es persönlich ähnlich: Ich brauchte in der Schule immer mindestens ein halbes Jahr, bis ich mir halbwegs die Gesichter der Mitschüler und Lehrer merken konnte, im Studium war das dann ganz schlimm, weil hier die Leute noch öfter wechselten. Meine Verwandten erkenne ich aber zum Glück noch :-) Für Gesichter (und, in geringerem Ausmaß, Namen) scheine ich einfach ein schlechtes Gedächtnis zu haben…
Juhuuuu, ich bin nicht allein!!! Ich kann mir Gesichter auch nicht sonderlich gut merken. Problematisch ist in mein er Situation, dass ich dagegen auffalle und sehr schnelle identifiziert werden kann. Als ich noch in einer Kleinstadt studierte, war das insb. zu Semesterbeginn die Hölle, wenn mich gefühlte zig Tausend Leute gegrüßt haben, und ich wirklich niemanden erkannte! Ich gehe das Problem seit einiger Zeit auch offensiv an: “Hilf mir mal auf die Sprünge”. Neulich kam ein empörtes “Ähm, Mitfahrgelegenheit??!??” zurück. Zu diesem Zeitpunkt war ich aber schon über zwei Jahre nicht mehr mit ihm gefahren. Ich bitte um Nachsicht. *g*
Interessant, wie viele anscheinend dieses Problem haben. Da ist man wenigstens nicht alleine. Auch ich habe schon mal meine Schwester oder – genau wie latita – meine Mutter nach einem Friseurbesuch nicht erkannt. Generell erkenne ich Freunde, Kollegen etc. nur an ihrer Frisur, Kleidung, Figur und so weiter oder auch dem Ort, wo sie sich befinden, jedoch nicht an dem Gesicht.
Lasst uns einen Club gründen!
Gute Idee. Nur wie finden wir uns bei Gruppensitzungen? Wir dürften ja alle ziemlich zielstrebig aneinander vorbeilaufen. ^^
Bin auch gesichtsblind, ist wie von dir beschrieben gerade in größeren Menschenmassen oder wenn man nicht mit der Person rechnet unangenehm. Ich finde es extrem anstrengend in solchen Situationen, nach ein paar Stunden tut mir der Kopf weh. Im geregelten Alltag fühle ich mich dagegen meist viel wohler, ein Glück ist das Gehirn ja anpassbar so dass man diese Schwäche normalerweise ausgleichen kann.
Das man sich selbst im Spiegel und selbst gute Freunde oder die Familie auch mal nicht erkennt ist natürlich etwas unangenehm bzw. störend, aber ein offener Umgang hilft da enorm.
Dank überragender Körpergröße werde ich auch egal wo schnell gefunden, das hilft.
Ich finde ja, die Leute sehen im Gesicht alle ziemlich gleich aus. Außerdem bin ich kurzsichtig, habe aber keine Brille. Trotzdem (oder deswegen?) kann ich Leute allein an ihrer Gehweise auseinanderhalten und auf große Entfernung erkennen. Naja, manche machmal.
Volkers Problem habe ich auch, aber anders. Ich begrüße ständig irgendwelche Bekannten, wo sich dann herausstellt, daß es doch Unbekannte sind. Manchmal lernt man sich dadurch erst kennen.
Da gab es doch gerade die Studie, die besagt, daß Leute die lesen gelernt haben, generell besser darin sind, 2-dimensionale schwarz-weiß-Muster zu erkennen, daß das aber auf Kosten der Gesichtserkennung geht, die bei Analphabeten generell besser funktioniert.
Was nicht untersucht wurde, ist, ob Leute, die besonders viel mit Texten zu tun haben, vielleicht noch schlechter Gesichter erkennen, als die, die normal viel lesen und schreiben.
Man kann wohl doch nicht alles haben.
wie schön, nicht der einzige zu sein mit diesem peinlichen defizit. mein bestes erlebnis dazu: ich war mal in berlin auf einem konzert, zum ersten mal in dem schuppen. viel zu früh da, rumgestanden und wasser getrunken, und irgendwann musste ich auf’s klo. als ich es gefunden hatte, war ich überrascht, wie unheimlich groß die örtlichkeiten dieses an sich doch recht kleinen ladens sind. und nachdem ich mich erst in der tür geirt hatte, ging ich also weiter und war mir sicher, das herrenklo sei bestimmt ‘irgendwo da hinten’ – und mir kommt ein typ entgegen. ich will ihm ausweichen, aber wir beide weichen ganz klassisch zwei, drei mal in die selbe richtung aus, und ich mache eine heitere bemerkung und wollte mich bei dem kerl entschuldigen – und erst dann krieg ich mit, dass ich vor einer spiegelwand stehe…
Keine Sorge, du bist nicht alleine in der Welt. Ist halt ne Macke die man haben kann. Einfach offen damit umgehen, wenn ich mich recht erinnere, “leiden” 2 – 3% der Deutschen daran. (Schlimmer geht es denen, die diese “Krankheit” erst nach der Geburt bekommen, die haben nämlich nicht rechtzeitig gelernt, Menschen an anderen Merkmalen als das Gesicht zu identifizieren.)
Die “Krankheit” ist auch wohl nicht ganz einheitlich, Unterschiede in den Fähigkeiten gibt es durch die unterschiedlichen Lokalisationen des Grundes.
An Familie bin ich zumindest noch nie vorbeigelaufen. Wobei ich auch bei denen nicht das Gesicht erkenne, sondern eher alles, was rund um das Gesicht ist: Haare, Kleidung, bewegte Mimik, auffällige Narben, Gangart, Stimme, Statur. Das erkenne ich ohne große Probleme wieder, aber diese Merkmale sind nicht so konsistent und individuell, so dass es bei weniger guten Bekannten schnell zum Vertun kommt.
Eigentlich böse, aber praktischste Lösung ist im Alltag, möglichst den Eindruck erwecken, dass man in Gedanken-versunken durch die Gegend geht. Meistens melden sich die Personen von sich aus, solange es nicht nach Absicht ausschaut. Also eben nicht länger anstarren, sondern normal weitergehen.
Aber heute hat wieder mal jemand mit mir geredet, die ich überhaupt nicht einordnen konnte, ohne dass es längere Zeit her ist, dass wir uns “gesehen” haben müssen in einem kleineren Seminar. Aber sie hätte auch nur so tun können, dass sie auch in diesem Seminar ist und ich hätte es nicht gemerkt.
Gesichter vorstellen kann ich auch kein kleines bisschen, wenn ich mich an die Realität zu erinnern versuche. Was ich jedoch komischerweise kann (und was in Zusammenhang mit der in den Kommentaren geposteten Studie stehen könnte): Wenn ich mich an Fotos von Personen gezielt erinnere, dann kann ich mir vorstellen, wie die Person aussieht. Aber eben nur, bei Photos und nicht aus der Realität heraus.
Im Rahmen meiner Diplomarbeit hab ich mich nebenher auch mit Prosopagnosie beschäftigt. Einige Forscher behaupten, daß jeder Mensche mehr oder weniger daran leide, das heißt, daß diese “Krankheit” graduell auftritt.
Ich leide anscheinden auch zu einem Gewiß Grad daran, besonders bei normalhübschen, blonden Frauen oder langhaarigen Männern mit Bart habe ich oft Probleme. Andererseits könnte es auch daran liegen, daß $SCHOEPFERENTITAET irgendwann die Ideen ausgegangen sind und er/sie/es sich gedacht hat, daß es schon keiner merken wird. :-)
Falls sich hier sonst noch jemand in obigem Text wiedererkennt – es gibt eine sehr umgängliche Mailingliste für Betroffene (ich mag dieses Wort übrigens in dem Zusammenhang überhaupt nicht!), welche sich auf – wunder, oh wunder – auf http://www.prosopagnosie.de/mailman/listinfo/prosopagnosie befindet.
Aber die haben die meisten wohl eh nach der Lektüre des Textes und des genannten Stichworts gefunden. ;)
Naja, ich habe (ehrlich gesagt) das gegenteilige Problem. Ich erkenne jedes Gesicht. Ja, jedes. Wenn ich jemanden treffe, mit dem ich im Kindergarten war und der heute mit 25 Jahren das erste Mal wieder vor mir steht: „Hey Lisa. Wie geht es dir? Wir waren ja zusammen in der Marienkäfer Gruppe.“ Hat jemand ein einwöchiges Praktikum bei meiner Arbeit gemacht, erkenne ich ihn im dunkelsten Club wieder. Nimmt jemand 30kg zu, färbt sich die Haare, hat keine Brille mehr … ich erkenne ihn!
Allerdings ist diese Art der Extrem-Wiedererkennung auch meistens doof … Denn die meisten erkennen mich schlichtweg nicht. Aber danke für deinen Artikel. Denn jetzt weiß ich, dass es viele nicht persönlich meinen :-)
PS: Falls mich jemand als Gesichtserkenner buchen will *lach* … Scherz!
Hallo, ich selbst bin nicht “betroffen”, aber erstaunt, dass es anscheinend so viele gibt, die dieses Problem haben, es aber für eine “Macke” halten. Ich würde sagen, “Gesichtsblindheit” ist das korrekte Stichwort (http://de.wikipedia.org/wiki/Prosopagnosie).
Soweit ich das richtig verstanden habe, hat das weder mit “merken” oder “schlechtem Gedächtnis” zu tun und sollte daher auch nicht als “Macke”, die einem peinlich sein müsste, verbucht werden. (Insofern finde ich es auch nicht gut, dass es im Beitrag bspw. heißt „nur um euch die Peinlichkeit zu ersparen …“)
Es handelt sich schlicht um die Unfähigkeit, Gesichter wiederzuerkennen. Betroffene kompensieren das häufig sehr gut durch das Wiedererkennen anderer Merkmale, bspw. Körpergröße und -statur, Gang, markante Zeichen wie Tätowierungen, Piercings, Haarschnitte usw.
Ein Bekannter von mir ist davon betroffen, seit er mal übel verdroschen wurde von einer Gruppe Schläger.
Dabei läßt sich das Problem doch so einfach mit einer Brille als Requisit und etwas Übung elegant umschiffen: Stets beim Kennenlernen mit den Worten “Sorry, meine Augen, …” ganz nah an das Gegenüber herantreten und intensiv mustern. Erstens denkt sich dann niemand was dabei, wenn man sich bei anschließenden Begegnungen nicht gleich erkennt (“den muß man halt ansprechen, weil er doch nicht so gut sieht”), und zweitens will dann vielleicht auch nicht mehr unbedingt jeder erkannt werden.
Das kenne ich auch zur genüge, da mir manchmal auch Namen von Leuten nicht einfallen, selbst wenn ich diese fast jeden Tag sehe (ansonsten kann ich mir jedes kleinste Detail gut merken, aber für Namen/Gesichter hat mein Gehirn wohl keinen Speicherplatz reserviert). Am schlimmsten finde ich es immer, wenn die Leute mich mit meinem Namen grüßen (“Guten Tag Herr…”) und ich das in dieser Situation nicht erwidern kann…
Mach dir nix draus, andersherum ist es auch nicht immer leicht. Ich kann mir Gesichter sehr gut merken, weiß aber nie woher ich die Person kenne. Und wenn man die Supermarktkassiererin in der Stadt trifft und ihr bald herzlich um den Hals fällt zur Begrüßung (und nur zur Sicherheit) dann erntet man eben auch nicht ausschließlich Beifall seiner Mitmenschen.
Und wenn in deiner Familie eh schon bekannt ist, dass du schlecht im Gesichter merken bist, dann wäre es ja nur eine Frage der Höflichkeit gefälligt Buttons mit Name, Verwandschaftsgrad und Alter anzulegen oder? ;o)
Irgendwie beruhigt mich der Beitrag, dass nicht nur ich das Problem habe wenn ich Bekannte / Familie an unerwarteten Orten begegne nicht sicher erkenne. Je nach Kleidung und Bewegung komm ich manchmal drauf. Ansonsten läufts meist darauf hinaus: Hey, das könnte dein Neffe/Schwester sein – was macht der/die denn hier, gibts ja nicht… oder ist ers/sie nicht?… lieber wegschauen und schnell weg – auf die Gefahr höchst unhöflich zu sein… oder lieber Grüßen auf die Gefahr, dass das jemand völlig fremdes ist…
Bisher bin ich bis auf ein zwei höchst peinliche Unterhaltungen mit Unbekannten eigentlich immer ganz gut durchgekommen. Eigentlich eine gute Gelegenheit neue Menschen kennen zu lernen. Schade wenn’s dann doch oft die gleichen sind :)