Vorgestern waren wir erneut an der türkisch-syrischen Grenze. Eigentlich hatten wir vor, durch Syrien in den Libanon zu fahren – uns wurde einige Hoffnung gemacht, dass es mit einem Touristen-Transit-Visum möglich sei. Es sind schließlich nur knapp 150 Kilometer. Dass wir unsere Kameraausrüstung nicht hätten mitnehmen können, war klar, nun stellte sich aber auch heraus, dass unser roter Chevrolet mit deutschem Nummernschild keine Chance hat, glatt durchgewunken zu werden. Wir wären mit ziemlicher Sicherheit einige Tage an der Grenze aufgehalten worden und dann doch nicht durchgekommen. Ganz davon abgesehen, ist auch das Durchfahren auf der Autobahn mittlerweile sehr gefährlich. Wir werden stattdessen morgen eine Fähre nehmen, die uns von der Türkei direkt nach Tripoli im Nordlibanon bringt.
Wir haben in einer Kleinstadt und einem Dorf in Grenznähe mit einigen syrischen Flüchtlingen gesprochen (mit einem auch vor der Kamera, die anderen wollten das nicht) und, wie man sich denken kann, schreckliche Geschichten gehört. Dieselben Geschichten, die man aus anderen Interviews im Fernsehen kennt, aber diesen Menschen gegenüberzusitzen und einen Tee mit ihnen zu trinken, war etwas anderes. Auch, weil ich die ganze Zeit meine bzw. unsere Rolle hinterfragt habe. Wenn man einen Film dreht – bzw. eine Reisedoku, ich will den Ball mal flach halten – ist rund um die Uhr ein Großteil der intellektuellen und emotionalen Kapazität mit diesem Projekt ausgelastet. Mit inhaltlichen und gestalterischen Fragen, mit Organisations- und Zeitplankrempel, mit dem sehr speziellen sozialen Konstrukt “Filmcrew auf Reisen” und so weiter.
Normalerweise ist das kein Problem. Die meisten Geschichten, die wir erzählen werden, sind schön und positiv. Aber es wird, wie gestern an der Grenze, im weiteren Verlauf der Reise noch einige Sachen geben, bei denen es sich sehr seltsam anfühlt, kurz vorbeizukommen, ein paar Stunden zu filmen und wieder abzufahren. Und mindestens genausoviel darüber nachzudenken, wie genau man das jetzt einbaut und welche Bilder noch fehlen, wie über das eigentliche, traurige Thema.
(Das oben habe ich am 11.9. geschrieben. Inzwischen sind wir im Südlibanon und ich hatte seitdem entweder keine Zeit oder kein Netz und normalerweise beides nicht mehr, um weiterzuschreiben. Und da ich jetzt die Wahl habe, entweder zu frühstücken oder an diesem Text zu arbeiten … hier stattdessen ein Artikel von Schwester Jordana zum selben Thema, und hier einer von Tom.)
(Flüchtlingslager an der türkisch-syrischen Grenze)