Weblog & Podcast von Volker Strübing

Einhornkacke

Datum: 12.09.12
Kategorien: Schreiben, Zumutungen

Okay. Ich hab also eine Schreibblockade. Schreibblock adé sozusagen. Wie schlimm sie ist,  sieht man schon daran, dass ich darüber schreibe. Darüber zu schreiben, dass man nicht schreiben kann, ist nun wirklich das Letzte. Das ist noch schlimmer als wilde Geschichten über Monster, Einhörner und Wackelpudding, die damit enden, dass der Protagonist aufwacht und erleichtert feststellt, dass alle – puh! – nur ein Traum war. Und dann beim Aufstehen in ein Häuflein Einhornkacke tritt, das vor seinem Bett liegt … uijuijui, war es vielleicht doch nicht nur ein Traum? Gähn … aber immer noch besser als “Ich kann nicht schreiben”-Gejammere. “Dann lass es doch!”, möchte man dem Autor zurufen, außer man ist es zufällig selbst.

Nichts geht. Dabei ist es garnicht so, dass ich keine Themen hätte, nö, ich kann gerade einfach nur nicht schreiben. Nicht denken. Wenn ich eine Idee zu fassen versuche, fühle ich mich sofort, als würde ich mit einem Nudelsieb Wasserschöpfen wollen oder bei einem Ramstein-Konzert Sudokus lösen. Als würde ich probieren, mich mit der einen Hand am Fuß zu kitzeln, während die Finger der anderen in der Steckdose stecken.

Naja. So ungefähr. Seit Wochen kein neuer Text, die längerfristigen Sachen kommen nicht voran, eine neue Kloß-und-Spinne-Folge ist seit drei Monaten halb fertig und will es wohl noch eine ganze Weile bleiben. Ich bringe keinen Gedanken zu Ende, denke in Halbsätzen, springe von Thema zu Thema, werde von Ohrwürmern gemartert, zum Teil sind es Sätze oder Halbsätze, die sich selbstständig gemacht und plötzlich eine Melodie haben und in meinem Kopf in Endlosschleife laufen. Ich öffne Textverarbeitung oder Notizbuch und, schwupps, laufen tausend Männchen durch meinen Kopf und brüllen durcheinander. Und ich gebe auf und lenke mich stattdessen mit Computerspielen, Videos, Büchern ab, die einzige Möglichkeit, mich auf irgendwas zu konzentrieren.

(Symbolbild Schreibkrise: Ungefähr so wie auf der Wand hinter mir im Backstageraum des Substanz vor einem halben Jahr sieht es in meinem Kopf aus, wenn ich zu schreiben versuche. Nur leider nicht ganz so zotig.)

Natürlich kenne ich das.  Gehört wohl dazu. Aber es ist jedesmal auf’s Neue Scheiße.

Immerhin gibt es diesmal im Vergleich zu früheren Schreibblockaden zwei unschätzbare Vorteile: Zum einen geht es mir davon abgesehen und nichtsdestotrotz prima, zum anderen habe ich (seit 3 Wochen) eine Superausrede: Mein Knie ist angemurkst, ich kann nicht richtig laufen, bin also krank, da kann ich doch nicht arbeiten!
Man könnte natürlich spitzfindig anmerken, dass ich mir den Meniskus angerissen habe und nicht den Frontallappen und dass es meinem Knie egal ist, ob ich vor dem Fernseher sitze oder am Schreibtisch, aber das würden nur sehr böse, herzlose Menschen machen, Humankapitalverwertungsfanatiker, Menschen, die auch nichts dabei finden, selbst noch Beinamputierte zum Hürdenlauf zu prügeln und Armlose in Olympiaschwimmbecken zu schubsen, hör mir auf! Aber ich will jetzt gar nicht abschweifen, nein, ich versuche, schnell fertig zu werden, bevor meine Schreibkrise merkt, dass ich schon 435 Wörter geschrieben habe – seien sie auch noch so belanglos – und mich dazu bringt den Laptop zuzuklappen und mich mit Kaffee und Zigarette auf den Balkon zu setzen, vorgeblich um Nachzudenken, während ich in Wirklichkeit nur stumm “Tötet Onkel Dittmayer” oder “Komm mutier mit mir zu etwas ganz besonders Merkwürdigem” vor mich hinsinge und und wie ein irrwisch auf dem Balkontisch herumklopfe. Nein, Volker, los, du schaffst das, du kriegst diesen Artikel fertig, nein, nein, leg das Handy weg, nicht “Bubbleshoot” starten, nicht …

Ich erwachte. Zum Glück war alles nur ein schlechter Traum gewesen. Ich wischte mir mit der Bettdecke den Schweiß von der Stirn. Ich setzte mich auf und schüttelte lächelnd den Kopf. Was für eine Scheiße man manchmal zusammenträumte … da fiel mein Blick auf ein leeres weißes Blatt auf dem Boden vor meinem Bett … NEEEIIIINNN!

Solidarische Grüße an Kirsten und Micha!

(VS)

23 thoughts on “Einhornkacke

  1. Vielleicht bekommen Sie (oder du?) einfach nicht genug positive Rückmeldungen. Ich jedenfalls liebe Ihre Sachen. Alle! Ausnahmslos! Sie helfen mir über die nicht ganz so guten Tage weg. Wenn ich mal krätzig bin, “Ego-Migräne” (Max Goldt) habe, wenn die Welt und ich einfach nicht zueinander passen.
    Also: Das ist manchmal so. Und dann ist es wieder anders.
    Auf dass es wieder anders werde. Ein bisschen Zeit und dann weitersehen…
    Christl Klein

  2. Hey, vielen Dank! Das freut mich sehr. Zum Glück ist es nicht so, dass es nicht genug positive Rückmeldungen gibt, gerade bei Auftritten gibt es viel Zuspruch. Aber genug kann man davon eigentlich nie bekommen ;)
    Das wird schon wieder mit dem Schreiben …

  3. Yupp, – genau so. Das ist echte Kreativität. Halt ein bisschen Kaffee-verdröhnt, aber gerade deshalb eben, – komprimiert auf das Wesentliche. Mach dir keine Gedanken, …. vollkommen normal. So eine Blockade, – ist der reine Selbstschutz vor sich selber. Danach, – kann’s nur noch schlimmer kommen.

    Als würde ich probieren, mich mit der einen Hand am Fuß zu kitzeln, während die Finger der anderen in der Steckdose stecken.

    Öhmmm, – …. Du brauchst dringend einen Fotografen, für den richtigen Moment. Da könnte man nun wirklich was draus machen ;-)

  4. Du könntest dir die Zeit auch damit vertreiben, ein Video zu machen, indem du “Komm mutier mit mir…” singst – egal wie unprofessionel! Hab mich beim lesen schon mehr als einmal gefragt, wie wohl die Melodie dazu geht =)
    (Übrigens wäre eine Liste mit baldigen Auftritten recht praktisch, bin nämlich demnächst mal in Berlin)
    lG

  5. Also mir hilft da oft: mit lesen aufhören, einfach alle Bücher links liegen lassen und Orte an denen ich mich inspiriert gefühlt habe aufsuchen. Gehen oder Fahrradfahren ohne Ziel, da bekommt auch den Kopf gut frei und dann wenn der Wust im Kopf mit jedem Kilometer verschwindet sitzt dann doch wieder so eine befreit atmende Idee im Kopf rum die ich dann aufschreiben kann und dann kommt langsam alles wieder.

    1. Ich glaube, dass Thomas mit dem Kommentar anmerken wollte, dass die Band eigentlich Rammstein heißt. Es sei denn, Sie meinen ein Turbinenkonzert einiger Kampfflugzeuge auf dem Flugplatz Ramstein. Dann liege ich falsch.

  6. Kleiner Trick, der mir immer geholfen hat: Kanalisiere das Chaos im Kopf!
    Nimm das weiße Blatt Papier, nimm einen Stift – und schreibe die Dinge auf, die im Kopf umgehen. Konzentriere Dich nicht auf das Geschriebene, sondern auf das Chaos. Alternativ kannst Du auch wild Figuren und Bilder zeichnen, sie müssen keinen Sinn ergeben.
    Und dann, wenn’s nachlässt, nimmst Du Dir das Blatt vor und siehst Dir an, was Du da gemacht hast. Suche Verknüpfungspunkte und eine Entstehungsgeschichte für das, was da auf dem Blatt ist.

  7. Ich verdiene mein Geld auch mit Texten und Ideen – und mein Trick gegen fehlende Ideen: Solange Bubble Shooter (oder noch schlimmer: http://armorgames.com/play/5544/taberinos) spielen, rumgammeln, Internetsurfen etc … bis der Flow von ganz alleine kommt. Oder Alternativ: Bis wenige Stunden vor Abgabefrist warten und dann unter Druck einen super Text schreiben. Klappte bisher immer.

    Danke übrigens für den ersten Satz. Legendär :)

    PS: Meinst du mit dem “Mutier mit mir”-Song das Lied von den Böhsen Onkelz?
    Wenn nicht, würde ich mich sehr über einen Link zum Anhören freuen.

    1. Nein, nein, ich meine schon das Lied “Komm mutier mit mir zu etwas ganz besonders Merkwürdigem”. Es besteht nur aus diesem einen Satz, ich habe es mir vor ungefähr 10 Jahren ausgedacht und einmal auf einer lesebühne gesungen – daher ist es wohl nicht gerade weltbekannt ;)

  8. Lieber Volker,
    ein anregender Text, mit Selbstverweigerungen umzugehen.
    Aber gar nicht wird gar nicht zusammen geschrieben – während man Schreibblockade
    sowohl zusammen schreiben kann
    als auch getrennt,
    es kommt drauf an,
    auf den Akzent.
    – Schöner Einfall.

  9. Da sing ich nur:

    “Staring at the blank page before you
    Open up the dirty window
    Let the sun illuminate the words that you could not find…”

    Jap, Natasha Bedingfield hat auch mal nen Song geschrieben darüber, dass sie gerade keinen Song schreiben kann. Mindfuck!

  10. Also ich höre Rammstein ja beim Programmieren. Kann mich super konzentrieren dabei. Ich könnte bestimmt auch Sudokus lösen…

  11. Sehr schön. Habe herzlich beim Satz mit dem Frontallappen gelacht.

    Und freue mich auf eine neue Kloß und Spinne Folge. (Das soll Sie jetzt nur ganz ganz leicht unter Druck setzen)

  12. Meine Erfahrung ist: Wenn der innere Schweinehund sich quer stellt, hat er manchmal auch Recht. Bist Du sicher, dass Du nicht wichtige Dinge vernachlässigt hast, wie z B rumhängen, nichts denken, die Wand anstarren oder Urlaub machen?

  13. Feiner Artikel!
    “Komm mutier mit mir zu etwas ganz besonders Merkwürdigem” hat was.
    Vielleicht sollten Sie sich im Moment eher aufs Songwriting verlegen.
    Der eine oder andere Schnipsel wird doch noch durch ihr Hirrrn geistern.

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