Gibt es eigentlich Menschen, die noch wirklich gespannt auf die Fortsetzung von „Game Of Thrones“ / „Das Lied von Eis und Feuer“ warten? Ich war von der Fantasy-Saga nach anfänglicher Skepsis sehr begeistert, habe die ersten Bände verschlungen, mich in die Charaktere verliebt und über die Fähigkeit von R.R. Martin gestaunt, jede Szene mit einer Fülle von liebevollen Details zum Leben zu erwecken, habe die Dialoge genossen, die Weltschöpfung bewundert. Bis es ab dem fünften Band (in der deutschen Fassung, also dem dritten im Original) immer deutlicher wurde, dass das alles wohl nirgends hinführen wird.
Die Handlung labbert aus, es geht nicht voran, Hauptpersonen sterben, Bataillone von Nebenfiguren werden eingeführt und aufgebaut, um dann meist sang- und klanglos wieder zu verschwinden, die Haupthandlungsstränge finden nicht zusammen, gefühlt alle 200 Seiten wird Tyrion Lannister entweder entführt oder fällt ins Wasser, und das entsprechende Kapitel endet mit der Frage, ob er ertrinken wird oder nicht (wird er nicht, wie wir ein paar Kapitel später völlig überraschend erfahren), nach mehreren tausend Seiten reitet Daenerys endlich mal auf einem ihrer Drachen – und zwar bis auf Weiteres heraus aus der Handlung des Romans; wahrscheinlich weil ihr das ganze ziellose hin und her öde geworden ist. Wobei sie mit dem hin und her nicht allzuviel zu tun hatte, da sie ganze 6 Bände lang nur in ihrer eroberten Stadt rumhockt. Die Schneezombies warten seit dem Prolog darauf, endlich mal eine wichtige Rolle zu spielen, und der Winter naht noch immer.
Das Ganze ist wie eine Endlos-Fernsehserie angelegt. Ich mag Serien, aber wenn es sich nicht um eine Sit-Com, sondern ein Drama handelt, dann freue ich mich doch sehr über einen Abschluss. Bei Romanen umso mehr.
Klar: Es ist viel realistischer, dass alles immer irgendwie weitergeht, dass es keine Katharsis gibt, sondern nur eine endlose Wiederholung der immerselben Motive in neuer Kulisse und mit anderen Protagonisten, so ist das Leben nun einmal, das Schicksal ist ein schlechter Dramaturg. Aber ich lese doch keine Fantasy-Saga, weil ich an einer Geschichte, wie sie das Leben schreiben würde interessiert bin. Gebt mir ein Ende, nachdem ich ein Buch zuklappen kann – traurig, dass es vorbei ist, aber doch zufrieden und erlöst.
Wird das die Zukunft sein: Auf der einen Seite 100seitige Erzählungen oder notdürftig zusammengehaltene Episoden, auf die der Verlag ganz frech das Wort „Roman“ drucken lässt, auf der anderen endlose „Sagas“, die bald ähnlich wie Fernsehserien von Autorenkollektiven geschrieben werden? Bin ich zu kulturpessimistisch? Sehne ich mich insgeheim nach dem Weltuntergang und hoffe nach dem erneuten Ausbleiben desselben nun wenigstens auf eine Literaturapokalypse? Du weißt gar nichts, Volker Strübing.
Vielleicht kriegt es Martin ja noch hin und führt sein Werk zu einem Ende, dass diesen Namen verdient. Das wäre eine nobelpreiswürdige Leistung, aber hallo. Ich werde die nächsten Bände trotzdem oder gerade deswegen lesen (kein Wunder, dass Verlagen das Serienkonzept so gut gefällt). Die Hoffnung stirbt zuletzt bzw. zusammen George R.R. Martin.
(Volker Strübing)
PS: Ja, okay, der GZSZ-Vergleich in der Überschrift ist fies, Entschuldigung, Aufmerksamkeitsöknomie und so. Apropos GZSZ and now for something completely different: Bei Hörspielen kann man so deutlich wie sonst nur bei Tatort-Folgen feststellen, dass die wichtigste Qualifikation deutscher Schauspieler die Fähigkeit zu sein scheint, keinen einzigen noch so banalen Dialogsatz wie ein normaler Mensch auszusprechen.
Mir gehts genauso! Ich war am Anfang auch schwer begeistert, aber seit Daenerys nur noch rumhockt und Scheiße baut, alle “Guten” tot sind oder am Ende des 5. Bandes sein werden (okay, für Jon siehts extrem schlecht aus, aber es ist unmöglich, dass er auch noch stirbt) und Rhaegars Sohn, von dem wir seit diversen Bänden immer wieder hören, dass er tot ist, plötzlich quicklebendig wieder auftaucht, hat die Begeisterung doch ziemlich nachgelassen.
Trotzdem werde ich es natürlich lesen müssen und bin sehr gespannt, wie Martin DAS gut zu Ende bringen will.
Ich bin immer noch dabei. Klar, war von Band 5 (englisch) nicht so angetan wie erhofft, aber daß der gute GRR schon vorhat, das Ding bald zu Ende zu bringen, glaub ich schon – der Jüngste isser ja auch nicht mehr, und er will wohl nicht unbedingt den Robert Jordan abziehen. – Daß Dany sich schwerer tut als nötig, geschenkt, das wär ein bißchen Overkill, wenn sie jetzt einfach den kleinen Blitzkrieg starten und alles einäschern würde. Ich glaube, daß jede Wendung dieser speziellen Storyline was zum Charakter beiträgt, und wenn Drachen einfach so zu zähmen wären, fände ich sie nur noch halb so interessant.
Die Nebencharakter-Flut ist langsam in der Tat irritierend, aber immerhin treten die auch schnell wieder ab. Und immer wieder erwischts halt auch jemand, von dem mans nicht erwartet hätte, was doch sehr erfrischend ist.
Erinnert übrigens dieses Aus-der-Linie-Laufen auf dre Höhe von Band 5 von 7 nicht etwas an eine andere populäre Fantasy-Serie? Dolores Umbridge hätte ja auch kein Schwein gebraucht.
Übrigens, mag mal jemand SPOILER über das Ganze hier schreiben? Danke.
Frohe Weihnachten nach Usedom, jedenfalls!
Das geht mir tatsächlich ähnlich. Zwar ist alles toll beschrieben und spannend und bunt, aber so langsam könnte die Geschichte auch mal zuende gehen, zumal der Witz langsam raus ist, wenn alle Charakter, die einem annähernd sympathisch sind, alle abgemurkst werden.
Zu Beginn war das Stilmittel ja noch toll und hat die Spannung erhöt, aber so langsam wartet man ja nur noch drauf, dass Tyrion oder Arya sterben.
Es steht wirklich zu befürchten, dass der gute George R. R. Martin die Ohren anlegt, bevor er die Fäden der Geschichte verknoten kann – oder es kommt so etwas Dummes heraus wie der Schluss von BSG.
No, GZSZ trifft das sehr gut. Ich würde sogar sagen: ASOIAF ist Twilight für Jungs.
Volle Zustimmung – ich hab die Saga nach Band drei (englisch) genau aus diesen Gründen erst einmal ad acta gelegt. 1000 Seiten für Fantasy-Soap – da ist mir meine Lese-Zeit mittlerweile zu schade.
Also für mich war GoT nie eine Geschichte über die Charaktere selbst. Es ist die Geschichte über das Land, die Welt an sich. Die Charaktere sind da nur Mittel zum Zweck, diese Geschichte rüberzubringen.
Ich finde, man sollte diese Saga weniger als normales Fantasy-Werk betrachten, sondern vielmehr als ein Kompendium über diese fantastische Welt. Ähnlich ist es mit HdR doch auch – Tolkien hatte anfangs nie die Absicht, das als Roman zu schreiben.
Es sollte primär ein Werk über die Sprachen und Geschichte der Welt werden. Ähnlich sehe ich das bei Martin auch. Er schreibt Geschichte, keine Romane.
Schaut euch “echte” Geschichte doch mal an. Da gibts ein paar herausstechende Figuren, die man wirklich als Helden oder Bösewichte bezeichnen kann, aber 95% aller Charaktere sind einfach nur “da” und versuchen ihren Platz in der Welt zu finden. Und davon gelingt es bestimmt auch nur einem Bruchteil, eine Hollywood-taugliche Coming-of-Age-Story zu erleben. Die meisten sterben früh, durch völlig unspektakuläre Umstände oder Krankheiten.
Und trotzdem kann jeder von denen eine wahnsinnig spannende Hintergrundgeschichte haben, hochkomplexe Motive und Konflikte haben und sich selbst im Weg stehen. Wir sind ja alle nur menschlich.
Genau das finde ich bei Martin’s Geschichte so toll. Es gibt keine Helden. Es gibt keinen Spannungsbogen (nicht im klassichen Theatersinn zumindest. Es ist einfach nur GESCHICHTE. Losgelöst von Moral, Zeitgeist und Emotion.
Ein Hauptcharakter stirbt an einem Fieber? Tja, das passiert nunmal! So ist das Leben, und genau das beschreibt er. Besser noch: Er beschreibt nicht, er schreibt nieder. Als wäre er selbst einer der Maester der Zitadelle, der die Geschichte von Westeros und Essos zu Papier bringt.