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Dass ich mich aus meinem Bad ausgesperrt habe, war beknackt, aber verzeihlich. Immerhin hatte ich mich nicht eingesperrt – das wäre noch um einiges unangenehmer gewesen. Dass ich es nicht geschafft habe, mit Imbusschlüssel oder gebogenem Draht die Tür zu öffnen, war ungeschickt, aber ebenfalls verzeihlich. Ich bin ein großer Freund von Spezialisierung und Arbeitsteilung. Es gibt Leute, die können richtig gut Türen öffnen, und ich finde, die sollten auch davon leben können. Zumindest solange sie die Tür mit dem Einverständnis des Türbesitzers öffnen. Ich freue mich ja auch über jeden, der sich lieber meine Geschichten anhört, als sich selbst welche zu schreiben …
Die Googlesuche nach Schlüsseldiensten in Berlin brachte einen Batzen Adressen. Schnell war ein Laden gefunden, der nicht allzuweit entfernt war, und einen Festpreis inklusive Fahrtkosten etc. von 49,- Euro versprach. Leider war der Monteur gerade unterwegs, und es sollte eine Stunde dauern, bis er bei mir wäre. Eine Stunde kann lang werden, wenn das Klo verschlossen ist …
Ich suchte also weiter und fand einen Anbieter, der Türöffnungen ab 48,- Euro anbot. “Je nach Anfahrtsweg” sollten möglicherweise noch Anfahrtskosten in Höhe von max. 20 Euro dazukommen. Da es in Berlin offenbar mehrere Filialen gab, rief ich die nächstgelegene an. Es meldete sich eine Frau mit bayerischem Akzent. Sie klang sehr freundlich, ich erklärte ihr mein Problem, wir scherzten ein bisschen, haha, nein, nein, so dringend sei es nun auch nicht, ich stünde nicht mit zusammengekniffenen Beinen vor der Klotür, hihi, dann sagte sie, dass sie in 15 Minuten bei mir wäre, maximal 20 Minuten sollte es dauern, sie wolle sich sofort auf den Weg machen. Ich fand es ein bisschen ungewöhnlich, dass sie selbst die Monteurin (Monteuse?) war, denn natürlich hat man alte Rollenmodelle im Kopf und erwartet einen Mann. Eine Bayerin, die tolpatschigen Berlinern die Klotüren aufmacht, sowas gibts nicht alle Tage! Ist ja cool, dachte ich. (Meine Fresse, war ich blöd!)
Ich konnte sie gerade noch zurückhalten, um den genauen Preis zu erfragen, bevor sie sich auf den Weg machte. “Also, die Türöffnung kostet 41,- Euro”, sagte sie. Super! Noch billiger als auf der Website angegeben!
“Und wie ist das mit den Anfahrtskosten?”
“Ja, vielleicht 10,- Euro.”
“Können wir da nicht einen Festpreis ausmachen?”
“Nein, das hängt nun davon ab, wo sie genau wohnen, aber machen sie sich mal keine Sorgen.”
“Naja, ich bin ein bisschen unsicher, wissen Sie. Festpreis wäre mir schon lieber. Ich will Ihnen ja nichts unterstellen, aber …” An dieser Stelle des Gesprächs bekam ich ein schlechtes Gewissen. Die Frau hatte doch so eine nette Stimme!
“Ich sag mal” (“I sog moal”), sagte sie, “das wird so um die 50 Euro mit Fahrtkosten.”
“Ich werde da keine unangenehmen Überraschungen erleben?”
“Nein, nein.”
“Also, dass da dann plötzlich hohe Fahrt- oder sonstige Kosten draufkommen?”
“Nein, nein!” Sie lachte und fügte mit jovialer Stimme hinzu: “Sowas mache ich nicht.”
“Okay, dann bis gleich, sorry, ich wollte Ihnen nichts unterstellen …” (Hallo? Kann mir mal jemand in die Zwangsjacke helfen? Alleine krieg ich die so schlecht zugebunden!)
Nach 30 Minuten rief ich die Frau an, wo sie denn nun bliebe. Sie habe eine Panne gehabt und jetzt ihren Mann losgeschickt. Er müsse jeden Moment bei mir sein.
Er kam weitere 30 Minuten später – inzwischen wäre auch der zuerst Angerufene bei mir gewesen. Innerhalb von einer Minute hatte er die Tür auf, dann setzte er sich an meinen Schreibtisch und schrieb die Rechnung: 41,- Türöffnung + 18,- Euro Anfahrt (durchaus angemessen bei einer Stunde Fahrtzeit, haha!) + 19% Mehrwertsteuer … insgesamt knapp 75,- Euro.
Das darauf folgende Gespräch mit dem Monteur war… unergiebig. Er behauptete, er wisse nicht, was man mir am Telefon erzählt habe, das sei ein Callcenter, da habe er nichts mit zu tun. Fragt mich nicht wieso, aber in diesem Moment habe ich nicht mehr daran gedacht, dass die Frau sich als Monteurin und Gattin des jetzt anwesenden Mannes dargestellt hatte – wahrscheinlich, um einen netten Familienbetrieb vorzutäuschen. Ich rief sofort noch einmal bei ihr an und erreichte tatsächlich auch die selbe Frau. Ich kam kaum dazu, ihr das Problem zu schildern, da fragte sie, ob sie mich in einer halben Minute zurückrufen könne. Ich: “Ja, okay, natürlich.” Ich. Glaubte. Dieser. Frau. Nocheinmal.
Man sollte mich zwangseinweisen.
5 Minuten später gab ich dem Monteur sein Drecksgeld. Ich wollte den bloß raus haben aus meiner Wohnung. Die Frau hat sich natürlich nicht mehr gemeldet.
Der Schlüsseldienst hat übrigens einen Ableger oder sogar seinen Hauptsitz und daher wohl auch die Telefonzentrale in Bayern, was den Akzent der Lügnerin erklärt.
Ist das eigentlich eine Krankeit (“gallopierende Gehirnmuchte”, würde es michaEbeling vielleicht nennen), wenn man einer sympathisch wirkenden, richtig netten Person vertraut, anstatt davon auszugehen, dass sie nur so nett ist, weil sie weiß, dass sie einen so leichter bescheißen kann, als wenn sie ihr wahres Gesicht zeigen würde?
Ab jetzt akzeptiere ich nur noch Festpreise, schneide die Telefongespräche mit und schärfe gaaaaanz unschuldig meine Küchenmesser, während die Rechnung geschrieben wird. Oder ich sperre mich nicht mehr aus dem Bad aus. Mal sehen.
Wie auch immer: Das Lied von der bösen Schlüsselnotruftelefonfrau habe ich gleich gestern Abend noch geschrieben und bei der Chaussee gesungen. Das hat gut getan. Und wenn ich damit jetzt endlich doch noch ein reicher und berühmter Popstar werde, ist letztlich sogar etwas Positives bei rausgekommen.
(Volker Strübing)
PS: Wenn Ärger mit Schluesseln, dann richtig. Ich habe mir in den letzten 28 Stunden jedenfalls die volle Packung gegönnt:
Der Schlüssel zur Kleidertruhe ist mir heute morgen im Schloss abgebrochen. Ich habe noch keine Ahnung, wie ich jetzt an die darin befindlichen Klamotten kommen soll. Werde wohl die Scharniere hinten abschrauben. Oder einen Schlüsseldienst anrufen …
Der Fahrradschlüssel ist gerade vorhin abgebrochen, auf dem Heimweg von einer netten Kaffeeverabredung im Friedrichshain. Zum Glück, als ich das Fahrrad gerade anschließen wollte, um noch was einzukaufen, und nicht nach dem Einkauf, bei dem Versuch es wieder loszuschließen.
Geiles Video.
Seeehr nett, auch wenn der Anlass natürlich für’n Arsch ist. Rock on!
Das Leben schreibt die besten Songs :)
Ich würde auf jeden fall eine platte kaufen ;)
diese ewige zwickmühle dem guten in der welt zu vertrauen oder selber ein arschloch zu werden… schrecklich.
aber bayern fand ich auch schon immer scheiße!!!
Auch Bayern muss es geben, was würde Deutschland denn machen wenn es sich nicht mehr über die sturen Bayern aufregen könnte, huh?
Danke für’s Lob und das Plattenkaufversprechen. Damit kann ich doch schon mal bei den Plattenfirmen vorstellig werden.
@lalatika: Das Doofe an den Bayern ist, dass viele von ihnen eben nicht scheiße, sondern ehrlich freundliche Menschen mit putzigem Zungenschlag und durchaus angenehme Zeitgenossen sind. Sonst wäre ich ja nicht auf die eine scheißeseiende (kann man das so sagen? Ja.) Bayerin reingefallen!
Wahrscheinlich klingt die Frau in echt nicht mal freundlich und nett. Das machen die Maschinen im Callcenter automatisch auf die Stimme. Und der (bayrische) Dialekt ist ein Bug in der Callcentersoftware.
Aber das Lied macht sicher allen das Leben besser, die mit zusammengekniffenen Beinen vor ihrer Klotür stehen.
Schöner Song, prima Video zum Tagesstart!
Die sind ganz schön bauernschlau, die Türöffnerindustrieangestellten.
Und die Monteure haben tragbare Geldeinzugsmaschinen, damit man ja nie in Zahlungsnot gerät als Ausgesperrter.
In die Bayerndiskussion klinke ich mich besser nicht ein, ich hab da so meine Vorurteile. Auch oder gerade weil ich in Moosbüffel-Country aufgewachsen bin.
Franken sind mir lieber.
Allerdings ist es eher unmöglich, dies mit Menschen zu diskutieren, die sich nicht bewußt darüber sind, wieviele kleine, feine Unterschiede es da gibt, bei den Einwohnergruppen des Südens.
Man kennt das ja auch hier: Sag mal Berliner zu einem Spandauer.
Oh oh…
die parallelen zu “herr der ringe” sind nicht zu übersehen: die geschriebene version gefällt mir besser als das filmische machwerk (mehr details und so) und auch das “making of” ist interessanter als der film. insgesamt natürlich großartig!