Weblog & Podcast von Volker Strübing

Deshalb sind Berliner so unfreundlich

Datum: 7.08.07
Kategorien: Neulich in der Kneipe

Normalerweise fallen einem schlagfertige Antworten erst mit einiger Versptung ein (mir geht es jedenfalls so). Aber gestern war ich mal schnell. Ich war mit einem alten Freund, den ich in den letzten Jahren nur sehr selten gesehen habe, in einem Biergarten in Kreuzberg. Schön war’s. Er hatte den ersten Wein geholt, irgendwann war ich dann mit dem zweiten an der Reihe.

Er: Wenn se fragt, sagste, du willst den spritzigen trockenen. Die ham auch noch einen, der nur trocken ist .

Ich: Den spritzigen trockenen, okay!

Ich (zur Frau in der Getränkeausschankbude): Ich hätte gern noch zwei Weißwein. Kann gleich hier in die Gläser. Den, der trocken und spritzig ist, bitte.

Sie: Häh?

Ich: Ähm, das hat mir mein Kumpel so gesagt. Vielleicht ist er ja vorhin von deiner Kollegin bed …

Sie: Oh Mann! Kannste nich einfach sagen, welche Sorte du hattest?!

Ich: Ähm, ich weiß ja nicht, was für …

Sie: Oh Mann!

Ich: Was gibt’s denn für wel…

Sie: War’s der hier?! (Kippt mit wütendem Gesichtsausdruck einen Schluck Wein in eins der Gläser.)

Ich (koste verschüchtert und nicke, obwohl ich mir nicht sicher bin – egal!)

Sie: Sach das doch gleich, Mann! 6 Euro. Hab die Schnauze voll, weißte! Da drüben wartet ‘n Stück Pizza auf mich und wird kalt, verstehste. Hach! Aber normalerweise bin ich ganz freundlich.

Ich (reiche ihr 6 Euro): Und ich geb normalerweise Trinkgeld.

Naja. Eigentlich hätte sie für die Erklärung am Schluss fast schon wieder Trinkgeld verdient gehabt.

War das nun die berühmte Berliner Unfreundlichkeit, von der man allenthalben hört? Sie klang jedenfalls nicht wie eine Berlinerin. Aber ich habe sowieso die Theorie, dass manche Leute, die es als Touristen oder Neuberliner hierherverschlägt, sich extra unfreundlich geben, um in der fremnde Stadt nicht aufzufallen. Damit fallen sie dann anderen Touristen und Neuberlinern auf, die dies als Bestätigung der Mär vom garstigen Berliner auffassen und diese Geschichte weiterverbreiten, woraufhin sich der nächste Schub Touristen und Neuberliner denkt, ich werde schon mal ein bisschen Unfreundlichkeit üben, bevor ich mich nach Berlin traue …

Und freundliche Berliner (na gut, kein echter, bin erst seit dreißig Jahren in der Stadt) müssen sich dann am Getränkeausschank anpampen lassen …

(Volker Strübing)

26 thoughts on “Deshalb sind Berliner so unfreundlich

  1. Vielleicht ein hauptstadt-phänomen? das selbe hätte auch in wien passieren können bzw. ist vielleicht grad zur selben zeit in wien passiert! eine frage stellt sich mir da: haben sich die bonner schon auf “freundlich” umgestellt?

  2. Nee, das was als Berliner Unfreundlichkeit wahrgenomen wird, geht meiner Meinung nach anders. Da sind die Leute nicht genervt, sondern eher ganz ruhig, selbstbewußt, mit Freude am Schimpfen.

    Gute Orte dafür sind zB das zentrale Einwohnermeldeamt oder das Fundbüro Tempelhof. Oder neulich auf der Samariterstraße: Vor dem Laden, der da neuerdings Porno-Rap verkauft, sitzt ein dicker tätowierter Mann auf der Bank. Kommt ein Radfahrer mit Helm etwas wackelig den Samariterfußweg hoch. Der Dicke holt aus und mit Lust und aus voller Lunge: „Dittkanndôniwahsein, uffm Gehweg. Hier hat sich neulich einer um die Laterne gewickelt und Du fährst hier ohne Sinn und Verstand den Fußweg hoch.“ Der Radfahrer erklärt zu seiner Verteidigung, daß er doch in dem Haus wohnt. Das hilft aber nicht viel: „Sach ma kriechstu überhaupt noch was mit? Schaltô ma deine Erbse ein vorm Losfahrn.“ Usw.

    Danach wendet er sich seelenruhig seiner Begleitung zu und setzt das Gespräch an der Stelle fort, an der er aufgehört hat.

  3. Na ich glaube ja das kommt vom ehem. Berliner Dialekt ( den sich mittlerweile wohl die “Ossis” sprich Brandenburg gekrallt hat, najut im Osten der Stadt triffste dies och noch an).

    Also ich glaube das eine wie sagt man so schön kühle Berliner Schnauze auf andere geüter einfach nur unfreundlich wirkt es aber gar nicht ist. Dazu kommt noch das berlin sehr groß ist und wenn man irgendwem blöd anmacht sich so gut wie nie entschuldigt weil man den oder diejenige nie weider sieht.

    ach höchtswahrscheinlich ist es die mischung aus allem drei!!!

  4. ich glaube nicht, dass berliner unfreundlich sind. sie sind nur nicht sonderlich höflich. kleiner aber feiner unterschied. berliner reden lauter als in anderen teilen des landes üblich. sie sind sehr direkt und benutzen gern “unanständige” worte. und das alles bei einem recht schlonzigen dialekt. ist doch eigentlich recht sympatisch.

  5. @HevoB: was den Dialekt angeht, da irrst Du Dich – das sind tatsächlich zwei verschiedene Dialekte, wenn auch ähnliche, die immer parallel existiert haben. Tendenziell sind die Berliner eher in der Lage, halbwegs deutsch zu sprechen; wir Brandenburger haben dagegen eine putzige Grammatik, und auf manchen unserer schönen Dörfer wird sogar noch Platt gesprochen. Echt wahr!

    ´n wirklich unfreundlicher Berliner ist mir, solange ich hier wohne, noch nicht begegnet. Dafür ziemlich viele redelustige Verrückte.

  6. Hast Du Deinen alten Freund eigentlich mal gefragt, ob er tatsaechlich einen spritzigen Wein mitgebracht hat oder ob er einfach nur das zuvor erlebte mit Dir teilen wollte?

  7. wirklich .. ich merk da kein unterschied …

    tendenziell kenen ich aber auch wenig Leute die mit Berliner (oder Brandenburger) Dialekt, reden und dessen Inhalte des Gespräches für mich interessant und durchdacht genug sind ….

    und naja wen nes die beiden Dialekt schon “immer” gegeben hat habe nes sich halt die Brandenburger ganz viel früher geklaut *g*

    und Platt … sagt mal seit ihr so unkreativ denkt euch was eigenes aus!!!!! ;-)

  8. also ich finde ja die Mecklenburger noch krasser. Ziemlich raue Schale und erst, wenn man lange, lange gräbt, stößt man eventuell auf etwas Weiches.
    Ich erzähle nur allzugern die Geschichte, in der meine Freundin und ich zwei Waffeln mit Vanillieeis und heißen Kirschen und wunderbar pudrigem Puderzucker bestellen wollten.
    Und als Antwort kam: “Essen gibt’s erst ab 14 Uhr.” Wir haben also bltzeschnell und flink unsere Handys gezückt, um zu schauen, wieviele Stunden wir dann noch warten müssten, und siehe da, es war 10 vor 14 Uhr.
    “Kein Problem, wir warten so lange.” Hallo? Und die Kellnerin ist abgerauscht. Und ich glaube an ihrem Rücken abgelesen zu haben, dass sie sehr missfällig geschnaubt hat.
    Aber Trinkgeld haben wir dann trotzdem gegeben…berliner Weicheier…

    Gratulation zur Schlagfertigkeit (wie hat sie darauf reagiert?) Ich habe mich vor Kurzem gefreut, dass ich meiner Schlagfertigeit anscheinend immer näher komme. Die Zeitabstände zwischen der benötigt schlagfertigen Antwort und der tatsächlichen Antwortidee verringern sich. Zuerst war es immer abends im Bett und jetzt sind es meist nur noch ein paar Minuten. Yay!^^

  9. also mir hat sich die mär noch nicht bestätigt. die kioskleute sind auch in hamburg grummlich, das kanns also nich gewesen sein, und ansonsten alle ganz prima. stay freundlich volker ;) damit hebste das niveau!

  10. Na gut, vielleicht war die Theorie etwas voreilig. Es gibt schon so eine Berliner Pampigkeit. Aber die ist ja eigentlich nett.
    Die Frau am Ausschank hat gar nicht reagiert. Hat’s wohl gar nicht richtig mitbekommen. War in Gedanken bei ihrer Pizza.

  11. Meine Theorie zu Berlin

    Berliner werden in Berlin nie beim Bäcker oder sonstwo verbal belästig, weil der “Arsch-Berliner” dort seine vermeintliche Überlegenheit (“det heißt bei uns Schrippen”) nicht zum Tragen bringen kann.

    Der Tonfall, selbst wenn man wenig berlinert, verrät ja den Ortsansässigen. Das ist überall so, in Berlin (Hauptstadt-Macke) dann natürlich besonders ausgeprägt. “Kenn ick, weeß ick, war ick schon” sagt dir jeder Taxifahrer, der in seinem Leben nie aus Lichterfelde oder dem Friedrichshain rausgekommen ist, wenn man zum Flughafen fährt und im Gespräch “Australien” erwähnt. Natürlich wird er dann noch “einmal reicht ooch”, “doll wart nich…” oder “muss ick nich mehr hin…” nachschieben – ein schöner Spaß.

    Was jedoch auch Berlinern passiert, sind unglaubliche Antworten in sogenannten “Institutionen” wie zum Beispiel “Fahhrad-Linke” im Prenzlauer Berg. Schon im Osten ‘ne große Nummer, verrät schon das Türschlid (keine Fahrräder mit in den Laden bringen), “wat Phase is”. Drinnen werden Wünsche nach bereits woanders gesichteten Teilen nicht selten mit “so wat ham wa nich” und dann die Steigerung “so wat jibt det ooch nich..” abschlägig beschieden. Da tut eine schlagfertige Antwort not, die jedoch gar nicht kommen kann – wie auch.

    Das “ich lebe zwar von dir aber es kotzt mich maßlos an und zeige es dir auch”-Phänomen ist auch wundervoll an der Ostsee zu beobachten. Berlin ist keine rühmliche Ausnahme.

  12. Also, ich finde es immer wieder faszinierend, dass durch die oben beschriebenen Unfreundlichkeit, eine Stadt wie Berlin definiert wird. Zudem ist es doch wahrlich ein Verhaltenszug, der meines Erachtens ein verdammt großes Maß an Selbstdisziplin verlangt. Also, ich könnt das nicht, ständig so ein Gesicht aufzusetzen und verzweifelnd nach Worten zu suchen, die alles, nur nicht freundlich klingen.
    Und außerdem bleibt doch nur eine spontane Reaktion, da die Wahrscheinlichkeit einen Urberliner mit der sprichwörtlichen Berlinerschnauze zu treffen, mittlerweile in einigen Stadtteilen schon sehr gering geworden ist: Charmant bewundernd Lächeln, zur gelungenen Einbürgerung in Berlin gratulieren und nun mitleidig darauf hinweisen, daß man es selber nach 4 Jahren Berlin noch nicht geschafft hat.

  13. Ich sagte ich kenne wenig!!!
    Jürgen Kuttner naja habe ich früher immer im radio gehört … ansonsten fällt mir aber auch keiner ein.

    Und nebenbe iich gehe aus Prinzip nicht in Läden in denen mir der Verkäufer oder der Laden oder das ladenkonzept unsympatisch ist. Mienen Freunden geht das tierisch auf den Sack, weil ich nur selten mit denen in einen von “ihren” Restaurants gehe ….

  14. Bin in der Schweiz aufgewachsen, 14 Jahre in Bayern gelebt, drei in Hannover und seit zwei Jahren in Berlin. Berlin ist mit Abstand die Höchststrafe.

    In der Kneipe bringt sie den Kaffee und den Zuckerstreuer. Ich sage: “Danke, den Zucker brauche ich nicht.” Sie sagt: Aber ein Aschenbecher” und knallt mir das Ding hin und lässt natürlich den Zucker stehen. Nicht schlimm, aber total typisch. Die Berliner sind so was von Rechthaberisch und müssen immer das letzte, und meistens ein saudummes Wort haben”. 9 von 10 Berliner schauen nicht nach hinten, um gegebenenfalls die Tür aufzuhalten. Autofahrer hupen und drängeln ständig. Fahrradfahrer fahren aus Prinzip auf dem Gehweg und wenn man was sagt, dann heisst es: “Halts Maul”, oder schlimmer. Punkto Kleider laufen die Berliner rum wie nach dem Krieg. Die Berliner sind einfach – und ich glaub damit bringt man es auf den Punkt – lieblos. Ich weiss nicht weshalb. Lustig ist auch, dass die Berliner das auch über sich selbst sagen. Ja wir sind Arschgesichter und das ist gut so! Mir geht länger desto mehr jegliches Verständnis dafür abhanden. Ich finde es sehr sehr arm. Im übrigen, das ist vielleicht etwas unter der Gürtellinie und steht vielleicht nicht in direktem Zusammenhang. Es gibt nicht sehr viele schöne Menschen, Männlein wie Weiblein. Und da zähle ich auch bloss ein guter Smile mit dazu. In München in der U-Bahn passiert etwas. Vielleicht etwas komisches. Die Leute werfen sich Blicke zu, man lächelt und es wird drauf los geschnakt. In Berlin hockt jeder wie versteinert da, bloss mit Niemanden und Nichts in Verbindung gebracht werden. Womit wir bei der Kontaktfreudigkeit wären. Ich sage Euch ehrlich, ich leide darunter. Aber wie muss sich ein Afrikaner fühlen? Schrecklich. Berlin ist eine Strafe wert. Das Beste an Berlin ist der Name. Arm aber Sexi – seit wann ist arm Sexi? Aber jetzt heisst der Slogan … be Berlin. Also: Sei unfreundlich, sei rechthaberisch – be Berlin.

  15. Der Kommentar von Ernst Scherz trifft die Situation in Berlin ziemlich genau. Ich habe auch in vielen Städten gelebt und Berlin ist die Unfreundlichste, die Schmutzigste und Verwahrloseste. Warum das so ist. Vielleicht, weil diejenigen, die nach Berlin ziehen, sich immer wieder anpassen wollen an dieses klischee der unfreundlichen Berliner. Aber auch an der extremen Heterogenität in der Stadt. Zuviele Parallellgesellschaften, die miteinander unverbunden sind. Eine Stadtgesellschaft kann so nicht entstehen. Und nicht zuletzt eine poitische Ebene, die sich aus all dem heraus hält. Das Image eines liberalen Berlins muss nunmal gepflegt werden.

  16. Der Berliner ist doch nicht unfreundlich, ja er hat sein Herz auf der Zunge und ist in dem Sinne nicht so verklemmt wie die meisten sogenannten Bildungsbürger, die sich kaum trauen, ihren Mund aufzumachen, weil sie sonst auffällig werden könnten. In der Beziehung ist der Berliner ein goldehrlicher Mensch, der nicht einmal im tiefsten Traum daran denkt, unfreundlich zu sein.

  17. Berliner sind nicht nur unfreundlich, sie sind auch streitsüchtig, besserwisserisch, hören sich gern reden und haben große Probleme bei diversen Bauvorhaben, u.a.
    Flughafen Schönefeld ist nur ein Beispiel… Auch die Flughafengegner haben zu spät ausgeschlafen. Mit Gequatsche kann man eben nichts auf die Beine stellen.
    Da lob ich mir doch andere Länder und Menschen in Deutschland, die anpacken ohne viel Worte – dafür aber zur Strafe dann das arme (sexy) Berlin finanziell unterstützen müssen.
    Ich habe von 1967 bis 2011 in dieser Stadt gewohnt, bin dann weggezogen nach Brandenburg. Und da ist es auch nicht viel anders… aber ich kenne ja den Menschenschlag.

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