Beim Warten auf die Pizza beim Italiener um die Ecke habe ich den Stern 42/06 durchgeblättert und bin auf ein Interview mit Alfons Frenk, Chef von Edeka und 200.000 Mitarbeitern gestoßen, bei dem mir der Appetit gleich wieder vergangen ist.
Neidisch muss keiner sein oder mir gar Missgunst entgegenbringen. Mein Berufsweg war harte Arbeit, Engagement, Leistung (haut auf den Tisch) und Leistungsdruck (haut auf den Tisch) und psychische Belastung (haut auf den Tisch). Vielleicht gepaart mit ein wenig Denkvermögen.
Leisten die 200.000 Angestellten, die für ihn mehr als 30 Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaften, nichts? Ist es keine harte Arbeit, jeden Tag hinter einer Kasse zu sitzen oder Paletten einzusortieren und nebenbei vielleicht noch allein ein Kind großzuziehen? Ist das keine psychische Belastung, und stehen diese Leute nicht unter Leistungsdruck? Der Rest des Interviews deutet darauf hin, dass Herr Frenk seinen Angestellten durchaus alles abzuverlangen gewillt ist …
Wenn aber die Verkäuferin genauso hart und engagiert und unter Druck arbeitet, wie er – wieso sollte sie dann nicht neidisch sein, dass er seine Kinder auf Eliteschulen schicken kann, ein schönes Haus hat und sich auch im Falle plötzlicher Arbeitslosigkeit bestimmt keine Sorgen um sein Auskommen machen muss? Weil ihnen das “Denkvermögen” abgeht, dass er für sich reklamiert?
In dem Film “We feed the World” begründet Nestlé-Chef Brabeck die Geschäftspolitik des Konzerns unter anderem so: Wir tragen Verantwortung! 2 Millionen Angestellte und ihre Angehörigen sind von uns abhängig! (Gedächtniszitat)
Ist das so? Waren die Sklaven eigentlich von ihrem Sklavenhalter abhängig? Könnte man es nicht auch umgedreht betrachten und fragen, ob nicht er und vor allem sein Wohlstand von der Arbeit der Angestellten abhängig sind?
PS: Alfons Frenks Kinder haben übrigens zum 18. Geburtstag keine Autos geschenkt bekommen, und wenn er auf Geschäftsreise geht, nimmt er von seiner Frau geschmierte Stullen mit. Sagt er im Interview. Das soll der Neiddebatte wahrscheinlich endgültig den Boden entziehen und ihn irgendwie sympathischer machen. Bei mir erreicht er damit das Gegenteil: Wenn jemand viel Geld hat und es angeblich garnicht verwenden kann, werde ich erst recht missgünstig und finde, er sollte es jemandem geben, der es sinnvoll einsetzt. Mir. Ich würde viele tolle, sinnlose Sachen kaufen, nie mehr geschmierte Stullen essen, mir Angestellte leisten, die meine Notizbücher abtippen und überhaupt viel Freude daran haben.
Anderer Zusammenhang, frappierende Ähnlichkeit der Attitüde:
Die Unterschicht grenzt sich sozusagen mental selbst aus, indem sie die gesellschaftlich erwünschten Haltungen wie Flexibilität, Mobilität, Wissenshunger oder Multimedia-Begeisterung nicht annimmt.” Das sei im übrigen nichts Neues, sondern schon seit vielen Jahren zu beobachten. Die Leute verweigerten sich geistig, ließen sich schlicht und einfach nicht auf die Rolle des “mündigen Bürgers” ein…
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