Weblog & Podcast von Volker Strübing

Seltsame Verkaufsgespraeche – Heute: Im Fahrradladen

Datum: 28.05.08
Kategorien: Zumutungen

Auf der Kastanienallee war’s. Der vordere Bremsbaudenzug meines Fahrrades war gerissen (dieses gerissene kleine Miststueck, dieses!) (Entschuldigung!). Und ich dachte, ich lass den wieder zusammenknueppern oder ersetzen oder was auch immer zu noetig waere, um mit dem Fahrrad wieder fahren und anhalten zu koennen. Ich hatte ja auch Geld mit und war der irrwitzigen Meinung, jemand wuerde gerne fuer Geld fremder Leute Fahrraeder reparieren. Ein Laden mit einem Schild auf dem „Fahrradreparaturen” stand bestaerkte mich in meinem Wahn.
Versehentlich war ich aber in ein Fachgeschaeft fuer schlechte Laune und Kundenbeschimpfungen geraten.
Ich: „Mir ist hier der Bremsdingens gerissen und wuerde das gerne reparieren lassen.”
Er: „Aha. Und neue Bremsbacken wollen Sie nicht?”
Ich: „Hm. Weiss nicht, wenn Sie meinen, da waeren neue noetig …”
Er (verdreht die Augen, fuchtelt mit den Armen, redet theatralisch): „Nein, ach was, neue Bremsbacken, so ein Quatsch, die sind ja nur total runter, das ist ja noch lange kein Grund die auszutauschen, ach wo, nein, nein, auf gar kein Fall.”
Ich: „Okay, okay, ich hab’s kapiert, die Bremsbacken sind runter …”
Er (schnauzt mich an): „Na was denken Sie denn, warum der Baudenzug gerissen ist. Die haben doch keine Bremswirkung mehr! Darum ham Sie doch an den Bremsen gezogen wie ein Idiot! Natuerlich reisst das dann! Aber bitte schoen, wenn Sie wollen, tausche ich Ihnen auch bloss die Baudenzuege aus! Meine Schnauze isses ja nich auf die Sie sich dann packen!”
Ich: „Aehm ja, ist ja gut. Schoen, wenn man so freundlich beraten wird. Also, wenn Sie meinen, die Bremsbacken muessten ausgetauscht werden, dann …”
Er (bruellt mich an): „Natuerlich muessen die ausgetauscht werden! Das sieht doch ein blinder mitm Krueckstock, dass die ausgetauscht werden muessen!”
Nun bin ich leider kein Blinder mitm Krueckstock und hatte es daher nicht gesehen, war aber bis zu diesem Zeitpunkt durchaus bereit gewesen, seinem professionellen Rat zu vertrauen. Jetzt wollte ich nur noch weg. Es gibt so eine ganz eigene Handwerkerarroganz, die weit verbreitet ist unter allen, die einen Schraubenzieher am richtigen Ende anzufassen wissen, aber selten habe ich sie so ausgepraegt erlebt.
Ich: „Ja, also ich geh dann mal. Ich hab jetzt gar nicht so’ne Lust, mich beschimpfen zu lassen.”
Er: „Und ich hab keine Lust auf Kunden, die hierherkommen und dann nicht zuhoeren wollen!”
Ich: „Tschuess!”
Er: „Schoenen Sommer noch!”
Ich: „Ihnen nicht!”

(Volker Struebing)

25 thoughts on “Seltsame Verkaufsgespraeche – Heute: Im Fahrradladen

  1. So ein Trottel, der hätte mit dir sein Geschäft seines Lebens gemacht in dem er dir noch allen möglichen anderen Kram eingeredet hätte. Da du ihn nun keinen schönen Sommer gewunschen hast wird er wohl spätestens danach seinen Laden schließen müssen.

    PS: Wer bremst verliert!

  2. …und wer später bremst ist länger schnell.

    Nunja Volker [Ich (halber Legastheniker) duz (<- Wie schreibt man das richtig?) dich einfach mal / “Legastheniker” habe ich gegoogelt]

    Nachdem man hier auch ohne verfolgt zu werden posten kann, eine Frage, die mich seit einiger Zeit beschäftigt:

    Du warst in (S)China und ich würde mal gerne wissen, warum eigentlich? Einfach aus Urlaubszwecken, oder ne präsidiale Einladung oder was oder wie? Das habe ich nämlich nirgends in deinem Blog gefunden..
    Evtl. verstärkt das den Witz so mancher Blogeinträge noch, wobei das nun wieder schwer möglich ist, weil die ja schon so dufte sind.
    Wie dem auch sei – Vielen Dank für die Aufklärung mal schon soweit und einen schönen Sommer noch.

    Gruß
    Steffen

    P.S.: Bei einer Fahrradreparatur in (S)China hättest du im Falle einer kaputten Bremse einfach eine Klingel bekommen. Ist preisgünstiger… Vielleicht ein guter Tipp auch für Berlin?

  3. Hi Volker, das klingt ja auch schon wieder nicht gut. Vielleicht musste einfach mal raus…;-) Oder Du nimmst zum nächsten Fahrradhandel Micha mit, der stößt den Meister mit ein paar passenden Worten schon zurecht. Nur Mut!
    Holger

  4. Ich glaub, ich kenn den Laden. Zu DDR-Zeiten hatten die einen ganz guten Ruf, inzwischen sind die echt arrogant geworden — ich hab mal gesehen, wie jemand rausflog, der eine Luftpumpe borgen wollte. Zum Glück gibts auch andere Fahrradschrauber.

  5. Ich hab bisher gute Erfahrung damit gemacht, solche Leute und ihre mir natürlich unbekannten Verwandten zu beleidigen. Ein “Arschloch” wirkt Wunder, um eine Altberliner Kodderschnauze, Entschuldigung, Hackfresse geschmeidig zu machen.

  6. Das war nicht zufaellig Fahrrad Linke? Ich wollte da vor 15 Jahren mal was kaufen (da war ich so ungefaehr 10 Jahre alt). Die haben mich damals auch so zur Sau gemacht. Jetzt frag ich mich allerdings wie die ihre Miete bezahlen, wenn die mit allen Kunden so umgehen. Also nicht dass ich Geruechte streuen will, aber wahrscheinlich haben die noch irgendsoein halblegales Nebengeschaeft. So geklaute Fahrrader aufmotzen und wieder verkaufstuechtig machen. ;)

  7. Oder hast du vieleicht keinen Namen genannt (und ich haette auch keinen nennen sollen), weil das Gespraech nicht wirklich genau so abgelaufen ist, wie du’s beschrieben hast und du dir einfach die kuenstlerische Freiheit genommen hast um eine tolle Geschichte zu haben? Wenn dem so ist, dann … weiss ich auch nicht weiter.

  8. Der Fahrradlladen meines Vertrauens (und auch einiger anderer Menschen, die ich kenne):
    Fahrrad Garage, Schliemannstraße 4, Prenzlauer Berg, Mo.-Fr. 10 bis 19 Uhr, Sbd. 10-14 Uhr, Tel.: 442 16 65.

    Hat auch viel Berliner Schnauze, nen Jungschen, der noch nach Punk aussehen will, ein paar Ältere, von denen einer aussieht wie ZZTop und Punk einmal durchpüriert,
    Ist meiner Erfahrung nach schnell und zuverlässig.
    Dabei günstig und normalo, nich so prenzelberg-schicki-ticki.

    Man sollte nur einkalkulieren, dass es relativ flott geht, wenn man ne Inspektion hat und sie einen gerne bitten, das Rad doch auch zügig dann wieder abzuholen, weil nicht unendlich Lagerplatz.

  9. Das war ganz sicher Fahrrad-Linke. Mir ist im Alter von 10 das gleiche wie Sancho dort passiert und auch später hab ich mir da öfters schlechte Laune abgeholt. Die waren in der DDR-Zeit nicht deshalb so beliebt, weil sie so freundlich waren. Die hatten einfach mehr Ersatzteile als der Laden in der Prenzlauer.
    Ansonsten gäbs in der Kastanie ja nur noch den Laden beim Parkplatz. Da arbeiten aber eher so enthusiastische Besetzer-Schrauber-Typen drin. Bei denen fangen die Augen an zu glänzen, wenn sie so nen Bautenzug auswechseln sollen, Erotik des Haptischen usw.

  10. Hi Volker,
    das hast Du ja echt nett geschrieben und so, aber ein bißchen wundern muss ich mich schon. Das ist doch wirklich ein völlig normales Berlin-Erlebnis. Ich werde permanent beleidigt, erniedrigt und angeraunzt vom Verkaufspersonal dieser Stadt. Wie lange lebst Du schon hier? Ist das etwa neu für Dich?

  11. Ich kann dich beruigen Volker, ein popeliger Baudenzug verschleist schonmal einfach so, OHNE kaputte Bremsen, selbst bei einem Motorrad reißt schonmal der Kupplungszug, was ooch nichts anderes wie ein Baudenzug ist…
    ich finds nett dem kndenorientiertem Verkäufer (k)einen schönen Sommer zu wünschen.

  12. also erstmal heißt es bowdenzug, nach frank bowden.

    fahrrad-linke hatten lange ein sich drehendes neon-spreichen-hakenkreuz in einem rad über dem laden.

    der angenehmste fahrradreparateur ist gönnes in der seelower straße.

  13. sehr geil, was fürn Laden, wenn das repräsentativ sein soll, bin ich froh, dass ich mein Pecko nicht in Berlin versorgen lassen muss ! Mochte deine charmante und adäquate Reaktion auf die Nase – souverän gelöst !

  14. Danke, Jochen!!! (-;
    Ich hab mich schon die ganze Zeit zurückgehalten bzw. mir gedacht, naja, ich weiß selber dafür nie ob Inbus oder Imbus, also bin ich mal ganz ruhig… (-;

  15. Ooch jut + nett: der Schrauber in der Rodenbergstraße, fast an der Schönhauser. Die Fahrrad-Garage in der Schliemannstraße ist eher jut + rau. Bei “Baudenzug” fiel mir ein, dass ich mal auf einer Homohomepage gelesen habe, bei erotischen Fesselspielen solle man sich zur Sicherheit stets einen “Seidenschneider” neben´s Bett legen.

  16. In München gibt’s einen solchen Ableger auch (“Wie, sie kaufen einen Kindersitz für 120,- horrende Euro, fragen zuvor, ob wir den hier gleich anbringen werden und erwarten nach der Transaktion, das wir dies UMSONST tun? Nee, nee, nee, das macht natürlich 20,- Euro extra.”) (Wenn das Kind nicht quasi schon im Sitz gesessen hätte… und ich nenne da gerne Namen: niemals nicht gehe man in München zum Radl-Baur! So.)

    Entschuldige, abgeschweift.
    Ich ärgere mich jedenfalls verständnisvoll und solidarisch mit Dir.

  17. Der hat wohl vor langem schon eine Vorausgabe des Buches “Asshole” gelesen . . . :-)

    Und wahrscheinlich den Schluss (oder das ganze Buch?) nicht verstanden!

    Grüße aus Wien – Andy

  18. oha, das hatte ich fast vergessen, deutsche kundenfreundlichkeit! ich bekomme immer wieder einen kulturschock, wenn ich aus den usa nach deutschland reise und shoppen gehe.
    in manchen geschaeften ist man auch in good old germany mit den kunden ueberfreundlich, daran bin ich – ehrlich gesagt mittlerweile jetzt gewoehnt, ami halt. ist hier in den usa ueblich – gut bedient, verkaeufer saeuselnd, ueberfreundlich (und falsch) – oberflaechliche und manchmal aufdringliche gespraeche – oder verkaeufer, die um einen herumwieseln, damit man a) nix klaut und b) etwas kauft und sich etwas aufnoetigen laesst… lass bei dem verdammten fahrradladen bloss keine muede mark (euro) – anscheinend haben die auch ohne dich als kunden mehr als genug geld, dass sie es nicht noetig haben, mit kunden anstaendig umzugehen/ wer wiess, der laden ist bestimmt nur ne front fuer ganz andere gescaefte? ha ha ha. verkaeufer des monats wird die type nicht! *lol*

Comments are closed.