Weblog & Podcast von Volker Strübing

SLAM 2009

Datum: 3.11.09
Kategorien: Literatur / Lesebühne / Poetry Slam, Unterwegs

Und wieder ist eine deutschsprachige Poetry-Slam-Meisterschaft vorbei, die sechste, die ich miterlebt habe, und wie immer war es toll. Obwohl sie in Düsseldorf stattfand, einer unglaublich hässlichen Stadt. Eine Stadt, so hässlich wie die versifften, vollen ICE-1-Züge, die auf der Strecke Berlin – Düsseldorf eingesetzt werden, und die allein Grund genug wären, die Stadt gnädigem Vergessen anheim fallen zu lassen.

Unter den Slammern machten Gerüchte die Runde, dass es auch schöne Ecken in Düsseldorf gebe (gäbe? Im Zweifel: geben tuen würde!), aber die habe ich mir nicht angeguckt, aus Angst um mein herrlich klares Urteil über die Stadt. Das wollte ich mir nicht vom Rhein verwässern lassen.

In der Umgebung des Bahnhofs wird man jedenfalls von Hässlichkeit erschlagen, und ich rede nicht nur von den Immobilien. Nun heißt es völlig zu recht “Never judge a city by its Bahnhofsviertel”, aber ich habe schließlich auch das Industriegebiet beim Zakk, einem der Austragungsorte gesehen.

Das Zakk selbst ist übrigens sehr schön und eigentlich wollte ich ja auch gar nicht meckern, sondern schreiben, dass es großartig war. In Düsseldorf. Trotz Düsseldorf.

Micha und ich sind im Teamwettbewerb als Titelfertiger angetreten und in der Vorrunde sang- und klanglos rausgeflogen. Dafür durften wir aber das Finale als Opfer(s)lämmer eröffnen. Mit einem Text, den wir extra für diese Gelegenheit geschrieben haben. (Vor zwei Jahren zwar schon, aber damals konnten wir seine wahre Bestimmung noch nicht ahnen). Für mich wurde es einer unserer schönsten Auftritte überhaupt. Zudem konnten wir dem eigentlichen Finale ganz entspannt lauschen, mit großväterlich vor dem Bauch verschränkten Händen, ohne um Punkte zittern oder uns beim Bier zurückhalten zu müssen.

Hier ist ein Video von unserem Auftritt – vielen Dank, Marvin! Ich bin der Typ, der sich meistens hinter seinen Zetteln versteckt.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=TCNj7Dq7fs4]

Herzlichen Glückwunsch an das Siegerteam PauL – Poesie aus Leidenschaft – das Team von Heiner Lange, Bumillo und Philipp Scharrenberg (Scharri)! Super habt ihr das gemacht und verdient gewonnen (und dass ich dasselbe auch, falls es anders gekommen wäre, bei einigen anderen Teams geschrieben hätte, ändert nichts daran, dass es stimmt und absolut ehrlich gemeint ist).
Das Einzelfinale habe ich leider verpasst. Scharri hat es gewonnen und damit als erster überhaupt beide Titel im selben Jahr abgeräumt.

Wie bei jedem National gab es auch diesmal wieder Zähneknirschen über schreckliche Entscheidungen der Publikumsjury. Vor allem die, die an den ersten drei Startpositionen ausgelost werden, haben schlechte Karten, da in den meisten Fällen die Punktwertungen im Laufe des Slams nach oben gehen. Dann ist – bei einem guten Slam – die Stimmung so gut, dass sich kein Juror dem entziehen kann, außerdem müssen sie die Erfahrung machen, dass sie für schlechte Punkte vom Publikum ausgebuht werden – anfangs vielleicht für 6er-Wertungen, gegen Ende kann es passieren, dass sie schon für eine Wertung im 8er-Bereich ein “Buh!” aus hunderten Kehlen über sich ergehen lassen müssen.

Ich habe die perfekte Lösung für das Problem. Man braucht nur doppelt soviele, halb so große Räume, doppelt soviele Moderatoren und Juroren und ausdauernde Poeten. Am Anfang wird wie üblich die Reihenfolge ausgelost. In Raum 1 treten bei 10 Teilnehmern die ersten 5 gegeneinander an, in Raum 2 die letzten 5 in umgedrehter Reihenfolge, das heißt der letzte Startplatz eröffnet hier den Slam. Nach 5 Auftretenden tauschen die beiden 5er-Gruppen Raum, Jury, Moderatoren und Reihenfolge. Man müsste natürlich eine kleine Pause einbauen für den Raumwechsel, insbesondere der Leute auf den Startplätzen 5 und 6, die zweimal hintereinander dran sind.

Andererseits: Halb so große Räume bedeuten nur halb sol laute Begeisterungsrufe für die Slammer und Buh-Rufe für die Jury und überhaupt weiß jeder, der ne Weile Slam macht, dass man die Wertungen besser nicht so ernst nimmt. Slam ist keine exakte Wissenschaft und kein öder 400-Meter-Hindernislauf.

dusseldorf

Das AO-Hostel, dass den über hundert Slammern Obdach bot, passte hervorragend ins ästhetische Gesamtkonzept von Düsseldorf. Dafür hatte aber die Bar 24 Stunden offen und das Personal war äußerst freundlich, hilfsbereit und stressresistent.

(VS)

7 thoughts on “SLAM 2009

  1. Das “gebe”-“gäbe”-Problem, eines der letzten großen Mysterien der deutschen Sprache, trieb mich auch einst um. Eine Nachfrage bei meiner damaligen Deutschlehrerin verschaffte mir Klarheit. “Gäbe” ist der Konjunktiv 2 (“Gäbe es mehr derart charmante Menschen in Berlin wie den Volker, …”), dagegen “gebe” der Konjunktiv 1, der also in Deinem in Zweifel stehenden Satz angemessen ist, sofern Du nicht die Existenz der behaupteten schönen Ecken Düsseldorfs im selbem Atemzug bestreiten möchtest.

    So, dafür schuldest du mir eine neue “Kloß & Spinne”-Folge. :P

  2. Das mit den Juroren ist echt ne fiese Sache.
    Ich war glaube ich 07 Juror bei den Nationalen in Berlin.
    Eigentlich ist es wie Krämer damals gesagt hat. “Nehmt eure erste Bewertung als Maß aller Dinge”. Dies bedeutet aber auch, dass die Erste Bewertung niemals eine Zehn sein kann, man muss sich ja steigern können.
    Publikumsapplaus ist aber auch unfair, entweder weil der Lokalpatriot im Vorteil ist, oder weil es nach hinten raus ruhiger werden könnte, da die leute ermüden.

  3. Ich fand das Video nett und lustig. Zugegeben, ich war noch nie auf so einem Poetry-Dingens. Kann sich ja noch ändern.

  4. Ich war auch sehr erfreut hier zufällig das Video von euren Auftritt bei meinem allerersten Poetry Slam zu sehen. Ich war nämlich dabei, im Publikum. Ganz toller Start, für mich, durch euch! Nur das, was du über Düsseldorf schreibst ist gar nicht nett und gar nicht richtig, aber das weißt du ja auch ;-)

  5. Scheinbar liest Lasse hier nicht aufmerksam mit, sonst hätte er schon kund getan, dass du ihm unrecht tust, Scharri als alleinigen Doppelsieger zu nennen und dich auf die Nationals 2002 in Bern verwiesen.

  6. Es war kurz gesagt BESCHISSEN wie die Juroren gewertet haben…Erst schlechte Wertungen für gute Künsteler, dann gute wertunden für das Team Düsseldorf, das nur Mittelmaß war..Echt traurig sowas..
    Ich finde euren Text super, mein Bruder war dann so dreist sich eures Werkes zu bemächtigen…Jetzt hängt er an der Wand über dem Volker Schrein und wird täglich angebetet… :D Na gut überm Klo….

    Düsseldorf ist am HBF echt pott hässlig! Ums Zack rum auch..Oke es ist größtenteils hässlig :D

  7. Hallo, ich klicke mich grad so durch die blogs und hab mir grad euer Video angesehen…genia! *g

    Dabei kam mir deine Stimme dermaßen bekannt vor, dass ich eben nachfragen wollte, ob…aber der erste Kommentar hat es mir schon bestätigt!

    Ich bin großer Kloß & Spinne Fan!

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