Man kann ja über vieles schimpfen – und sollte dies auch unbedingt tun! „Schimpfen, meckern, nörgeln aber sind die edelsten menschlichen Tätigkeiten, denn die Gabe des Schimpfens erst ist es, die den Menschen zum Menschen macht, ihn über das Tierreich und selbst noch über Gott erhebt, denn nur ihm ist sie gegeben – machen wir davon Gebrauch!“ (Volker Strübing, Der Mensch. Eine Annäherung., Band IV, S. 673). Gründe sind schnell gefunden: Finanzkrise, S-Bahn, Bubble Tea, Jugend von heute, Jugend von gestern, „die da oben“ (und die da unten erst!), Benzinpreis, Wetter, die Unregelmäßigkeit der Aktualisierung dieses Blogs, das dauernde Gemecker anderer Leute etc., etc., man muss und kann ja über alles schimpfen.
Die einzige mir bekannte Ausnahme ist Innsbruck. Gegen Innsbruck lässt sich nun wirklich überhaupt nichts sagen. Innsbruck ist toll und hat alles, was eine Stadt braucht: Eine Lesebühne, einen Poetry Slam, urste Berge, einen Fluss mit ulkiger Farbe, eine Zahnradbahn und eine direkte ICE-Verbindung nach Berlin. An Innsbruck gibt’s absolut nichts zu meckern und ich möchte es ganz ausdrücklich nicht als Nörgelei, sondern als konstruktive Kritik verstanden wissen, wenn ich darauf hinweise, dass der ICE von Innsbruck statt in Berlin Südkreuz lieber in Berlin Gesundbrunnen halten sollte, und dass die Stadt sogar (obwohl das unmöglich erscheinen mag) noch ein bisschen schöner wäre, wenn sie am Meer läge.
(Neue Trends und Entwicklungen erreichen Innsbruck vielleicht nicht unbedingt als erstes, aber was macht das schon?)
Gestern abend war Innsbruck insgesamt nicht so schön wie sonst, da ich mich in der Stadt herumtrieb und sehr hässlich war. Also, eigentlich war ich gar nicht hässlich, nur meine Hose war hässlich, die dafür aber so richtig. Das heißt, vielleicht war die Hose eigentlich auch gar nicht sooo hässlich und sah nur an mir dran bzw. mit mir drin hässlich aus. So hässlich nun freilich auch wieder nicht, aber … ulkig. Glaub ich wenigstens, ich hab mich auf alle Fälle ulkig gefühlt. Es war nämlich eine Röhrenhose und ich schwöre, sowas wollte ich nie anziehen!
Das kam nämlich so: Die Zugfahrt nach Innsbruck dauerte 9 Stunden. Und was macht man auf einer neunstündigen Zugfahrt? Na klar: Man kippt sich einen Deutsche-Bahn-Kaffee über die Hose – wann kommt man sonst schonmal dazu?
In Innsbruck angekommen rammelte ich also in den nächstbesten H&M, weil ich bei der Text Ohne Reiter Jubiläumsveranstaltung nicht im Kaffeefleckencamouflage auftreten wollte (ich bildete mir ein, das würde ulkig aussehen – heilige Einfalt!), ramschte einen Batzen Hosen von einem Sonderangebotsständer, probierte sie in der Kabine durch, entschied mich für die am wenigsten hässliche Alternative, hängte diese dann zusammen mit einigen anderen zurück an den Ständer und rannte mit der am meisten hässlichen Alternative zur Kasse … scheiße.
Hätte ich meine schwarze Fettrahmen-Brille nicht letztes Jahr in einem Taxi in Jordanien liegengelassen, hätte ich ausgesehen wie ein Hipster oder wenigstens Mipster (Möchtgern-Hipster).
Jetzt weiß ich nicht, was ich mit der Hose machen soll. Heute kommt wahrscheinlich Magdeburg nochmal in den zweifelhaften Genuss, mich in ihr zu sehen, aber danach? Vielleicht hebe ich sie auf und wenn mal wieder ein Langstreckenflug ansteht, ziehe ich sie als Trombosestrumpfhose unter die normalen Jeans …
(Von diesem Trend hingegen kann man sich nur wünschen, dass er von Innsbruck aus die Welt erobert: Klare Kommunikation, Produktpräsentation ohne störenden Schnickschnack, Konzentration auf eine Kernkompetenz statt einer erschlagenden Vielfalt an sinnlosen Produkten, die mit falschen Glücks- oder Individualitätsversprechen beworben werden.)
(Volker Strübing)
Prima Text!
Klingt auf jeden Fall ordentlich grässlich!
Herzlichen Glückwunsch zur hoffentlich letzten Hose dieser Abart.
Bin ich die Einzige, die das garstige Beinkleid sehen mag? Weil ich mag!