Immer wieder für interessante Situationen sorgt der nur für Menschen mit einem Abschluss in Philosophie, Informatik und Raumfahrttechnik durchschaubare Schließvorgang der Behinderten-WCs in ICEs, für welchen die Bedienung bzw. Beachtung von drei Knöpfen (zwei rot, einer grün) und einer Leuchte, die je nach Status der Toilettentür verschieden blinkt oder leuchtet, nötig ist. Während die beiden mit Pfeilen und relativ leicht verständlichen Worten („Öffnen“, „Schließen“), den Benutzer in dem trügerischen Glauben wiegen, die Toilettentürtechnik meistern zu können, lässt der dritte Knopf mit der für einen Knopf doch relativ komplexen Beschriftung „Bei Blinklicht bitte verriegeln“ die meisten Benutzer scheitern.
(Statt Klo-Fotos ein paar romatische Impressionen von der niederländischen Nordseeküste)
Vielen ist es wahrscheinlich einfach zu viel Text und hoffen, durch Betätigung des Schließen-Knopfes für hinreichende Privatsphäre gesorgt zu haben, andere lesen vielleicht das ganze knopfgroße Handbuch durch, sind guten Willens alle Anweisungen zu befolgen, geben jedoch irgendwann aufgrund steigenden inneren Drucks die Suche nach einem Riegel, den sie verriegeln könnten, auf und kommen bei einer kurzen Risikoabwägung zu dem Schluss, dass die Möglichkeit auf der Toilette von fremden Menschen gesehen zu werden der sicheren Peinlichkeit einer vollgemachten Hose vorzuziehen ist.
Warum die Türen nicht einfach über einen Riegel verfügen bleibt ein Geheimnis. Wenn man den Knopf wenigstens mit „Bei Blinklicht bitte drücken“ beschriftet hätte, wäre wahrscheinlich auch schon vielen geholfen. Wie so oft kommen zwei Erklärungen in Frage: Achtlosigkeit und Bosheit und wie so oft frage ich mich, welche von ihnen ich schlimmer finden soll.
Ich selbst habe übrigens dank meiner wirklich sehr sehr großen und genialischen Geisteskräfte die Bedienung äußerst schnell verstanden und in der Praxis umsetzen können. Seither traue ich mir auch zu, ein Atomkraftwerk zu leiten oder einen Jumbo mit drei brennenden Triebwerken bei Sturm auf dem Aldi-Parkplatz zu landen.
Dennoch versuche ich die Benutzung zu vermeiden Zum einen, weil selbst ein erfahrener ICE-Behinderten-WC-Tür-Kommandant wie ich eine quälende halbe Minute braucht, bis er endlich dem zu verrichtenden Geschäft nachgehen kann, da sich sich Tür mit der Gemächlichkeit einer Blüte öffnet und wieder schließt. Zum anderen weil – ihr ahnt es – man sehr häufig mit Menschen konfrontiert wird, die von diesem Intelligenz- und/oder Aufmerksamkeitstest überfordert wurden. Schön sind solche Begegnungen nicht, für keine der beiden Seiten.
(Zu diesem Bild gehört eine ebenso lustige wie dramatische Geschichte, für die im Internet aber grad kein Platz mehr ist.)
Gestern habe ich mal wieder einen kackenden Mann gesehen (ich nehme an, dass es um das große Geschäft ging, da er bereits Toilettenpapier in der Hand hielt). Er guckte mich aus großen Augen an, als die Tür sich langsam öffnete und uns einander offenbarte wie Kandidaten einer Datingshow aus der Hölle. Sein Blick ließ mich unwillkürlich an ein angeschossenes Rehkitz denken, wobei ich noch nie ein angeschossenes Rehkitz gesehen habe und mich frage, ob ich, falls ich je ein angeschossenes Rehkitz sehen sollte, dann wiederum denken würde, dass es wie ein kackender Mann im Behinderten-WC des ICE 526 guckt, aber ich schweife ab!
Wie leid er mir tat! Wie gern ich ihn irgendwie getröstet hätte, ihm gesagt hätte, dass es alles nur halb so schlimm sei, 80 Prozent der Menschen seien zu blöd, die Tür richtig zu bedienen, und 100 Prozent der Menschen müssten auch ab und zu auf Klo, sogar Chuck Norris und deine Mutter! Wie gern ich ihn in den Arm genommen hätte, naja, das nun nicht, zumindest nicht während er auf dem Klo saß, aber natürlich verbat sich all das. Es blieben drei Optionen:
1. Wegrennen
2. Smartphone zücken und ein lustiges Bild für Facebook machen
3. Helfen
Ich entschied mich für Option 3, denn ich bin nicht nur sehr, sehr klug, sondern auch sehr, sehr freundlich.
Ein hübsches perfides Detail ist, dass die Toilettentür weder von außen (wo es nur einen Knopf zum Öffnen, aber nicht zum Schließen der Tür gibt), noch vom WC aus bedienbar ist, so dass ich einen beherzten Schritt ins Innere des Klos auf den kackenden Mann (dessen Augen aus diesem Anlass noch ein bisschen größer wurden) zu machen musste, um den Schließknopf betätigen zu können. Vielleicht sind die Behinderten-WC-Türen deshalb so langsam: Um die Menschen die die Klotür öffnen, während jemand anders darauf sitzt, nicht mit ihnen eingesperrt werden, wenn sie helfen wollen. Ich drückte den “Schließen”-Knopf, hechtete aus dem WC, warnte einen mir entgegenkommenden Klogänger vor dem Behinderten-WC (selbstverständlich konnte ich es nicht verriegeln, denn dazu hätte ich mich wirklich mit, nennen wir ihn Kacki, einschließen müssen).
Die kleine Pointe an der Geschichte ist, dass der kackende Mann mir seit seit mehren Stunden an einem Vierer-Tisch gegenüber saß und jetzt, während ich dies schreibe wieder sitzt. Wir ignorieren uns, er hat sich nicht bedankt, mir nur kurz mit schiefem Mund zugenickt, als er an den Platz zurück kam. Etwas anderes habe ich nicht erwartet, solche Dinge regeln wir Männer auf sehr diskrete Art.
Diese Geschichte ist für Dich, Kacki, auch wenn ich hoffe, dass Du sie nie lesen wirst …
Habe ich, da ich den Mechanismus kenne, gelacht! Danke für Deine Hilfe für den Mann, wäre mir nicht so schnell eingefallen!
genial. danke für die story. sollte mir demnächst wieder auf einem aldiparkplatz ein kackendes flugzeug entgegenkommen, würde ich mich freuen, du säßest hinterm steuer und würdest zu jedermanns zufriedenheit alles regeln so weit.
da sich sich Tür mit der Gemächlichkeit einer Blüte öffnet und wieder schließt
Sehr schön getroffen, wunderbares Bild…
Ich habe sehr gelacht. Wie treffend. Leider. Die Bahngesellschaft muss irgendwie besondere Angestellte haben, die beim Bau und Betrieb der Bahnen auf Unannehmlichkeit getrimmt werden.
Ich für meinen Teil fahre allerdings sehr selten ICE und noch seltener gehe ich auf Behinderten-WCs, aber ich kann es mir nun gut vorstellen.