Weblog & Podcast von Volker Strübing

Dummheit, Döner und Dan Brown

Datum: 12.01.07
Kategorien: Zumutungen

Gestern Nacht bin ich mit der Straßenbahn nach Hause gefahren. Mir gegenüber saß ein dummes Pärchen. Dass sie dumm waren, habe ich daran erkannt, dass sie mich für dumm hielten. Nein, falsch: Daran, dass sie mich aus den falschen Gründen für dumm hielten.
Die beiden waren die üblichen Prenzlauer-Berg-Standard-Individualisten und teilten sich einen Döner. Hinterher wurschtelte sich der Typ mit seinen Knoblauchsoßenfingern in den ohnehin schon fettigen Haaren herum, wobei er sich in der Fensterscheibe beobachtete und bizarrerweise mit dem Ergebnis zufrieden war, worin ihn seine geschmacksverwirrte Freundin auch noch bestärkte. Ich schätze, die beiden machen irgendwas unbedeutendes mit Medien oder was Kreatives. Seit jemand den Begriff “digitale Bohéme” erfunden hat, wissen sie endlich, was sie sagen sollen, wenn ihre in Wuppertal verbliebenen alten Freunde fragen, was sie eigentlich so machen. Bestimmt benutzen sie Mac-Laptops. Wenn Leute Macs benutzen, vermute ich sofort, dass sie mangelnde Fähigkeiten oder Ideen durch die Verwendung dieses als Kreativen-Accessoire geltenden Rechners kompensieren wollen. Es gibt sicher auch wirklich kreative Menschen, vielleicht sogar einige Genies, die aus irgendwelchen Gründen Macs nutzen, aber schließlich gibt es auch Nazis, die gut kochen können. (Wenn ich mal sehr viel Zeit habe, denke ich darüber nach, ob das ein guter Vergleich ist. Und was ich eigentlich damit sagen will.)

Vielleicht bin ich dem Pärchen gegenüber ungerecht. Aber das ist gerecht so. Die haben mich nämlich für dumm gehalten. Aus dem falschen Grund. Sogar aus einem doppelt falschen Grund.

Ich habe in der Straßenbahn gelesen. Irgendwann, zum Glück kurz vor der Endhaltestelle, verdrehte die Frau den Kopf und den Körper, um zu sehen, was ich da lese, dann richtete sie sich wieder auf, sagte mit hochgezogenen Augenbrauen “Dan Brown”, und die beiden verzogen wissend die Gesichter …

Nun kann man von Dan Brown halten was man will. Am besten nicht allzu viel. Ich habe 2 Bücher von ihm gelesen; das erste fand ich spannend, blödsinnig, amüsant und beeindruckend. Letzteres, weil ich noch nie etwas gelesen habe, dass so konsequent und skrupelos auf Spannung und Cliffhanger hin geschrieben war, noch nie so eine Sturzflut von überraschenden Wendungen am Schluss erlebt hatte, und weil mir die Furchtlosigkeit des Autors klischeehaften Figuren gegenüber einigen Respekt abnötigte. Nachdem ich das Konstruktionsprinzip halbwegs verstanden hatte, fand ich das zweite Buch ziemlich langweilig.

Trotzdem ist es dumm, jemanden für dumm oder unterbelichtet zu halten, weil er Dan Brown liest. Für Schriftsteller sind seine Bücher tolles Anschauungsmaterial, für alle anderen prima Gehirnausschalter – und dass man das Gehirn ab und zu mal ausschalten will, setzt ja schon voraus, dass man es gelegentlich intensiv benutzt.

Besonders peinlich ist es natürlich, dass die Frau ihre eigenen Wissenslücken nutzte, um mich wegen meiner Lektüre herablassend anschauen zu können. Ihr eigener Horizont ging nicht über Dan Brown hinaus. Von Dan Simmons oder Dan Richter hat die Frau noch nie gehört, sie schien nicht einmal die Existenz anderer Dans in Erwägung zu ziehen …

Ich hatte kurz überlegt, ob ich “Das ist nicht von Dan Brown” sage. Hab’s nicht gemacht. Erstens war ich zu schüchtern, zweitens fiel mir gerade noch rechtzeitig ein, dass es überhaupt keinen Grund gab, mich zu verteidigen. Wenn dumme Leute einen für dumm halten, ist das doch eigentlich ein gutes Zeichen …

(Volker Strübing)

10 thoughts on “Dummheit, Döner und Dan Brown

  1. Ich habe einen Mac und ich kann kochen. Was nun? :-) Im übrigen benutzen eine Menge schlauer Leute Macs und die meisten, die Macs benutzen (also wirklich: benutzen!) werden Dir sagen, dass Leue die PCs benutzen (also, solche mit Windows) dumm sind. Ganz gleich, was sie lesen. Übrigens finde ich deine Dan Brown-Beobachtung sehr treffen. Mir ging es genau so. Hast du eins gelesen, hast du alle gelesen. Sehr praktisch. Wäre das doch mit allem so. Dann müsste man nur einmal fernsehen, nur einmal ins Kino und auch nur einmal sich verlieben. Oder so. Und jetzt kauf Dir endlich einen Mac!

  2. 1. Mit Ken Follett verhält es sich genauso wie mit Dan Brown.
    2. Ich hatte noch nie einen Mac. Bin ich dumm?? Ich glaube nein. Andererseits bilde ich mir nicht das geringste darauf ein, Windows-Benutzer zu sein (seit 1997!)
    3. Ist der Vergleich “Es gibt auch Nazis, die Fleisch essen und keinen Mundgeruch haben” treffender?
    4. Ich nehme an, dass es auf diesen Eintrag wieder eine Menge Kommentare setzen wird, du hast das Reizthema Mac vs. Microsoft angerissen und dann auch noch Dummheit mit ins Spiel gebracht …

  3. Nein, Nils du bist nicht dumm. Aber ich ja auch keine mangelnden Fähigkeiten. Aber glaub mir: Hättest Du einen Mac, wüsstest Du, dass es besser ist. Nicht, dass man mit einem Windows- Rechner nicht auch tolle Sachen machen kann. So. Ich will hier – wie Du vermutet hast – gar nicht weiter auf dem Thema Mac vs. M$ herumreiten. Jedem das sein, mir meinen Mac. Der rest sind gute Geschichten! Und dafür lieben wir Volkers Weblog ja. Der Vergleich mit Ken Follet ist übrigens nicht ganz zuftreffen. „Die Nadel“ ist schon was ganz anderes als „Säulen der Erde“.

  4. Pingback: spitblog
  5. Es gibt genug Leute, die ihre Mainstream-Bestseller á la Follett oder Brown in der U-Bahn nur verschämt lesen. Haben die gleichen Leute aber gerade Kafka oder Dostojewski dabei, werden die Bücher so gehalten, dass es jeder sieht.

  6. Liebster Volker, du sprichst mir mit deiner Mac-Beobachtung aus der Seele, und das schreibe ich mit einem Zaunpfahl-Seitenhieb auf Markus Freise.

  7. Ich verweigere Antwort
    Auf Fragen
    Die mein Kaliber
    Schändlich unterbieten
    Mein ausgeruhter Nomadenverstand
    Muß stillstehn bei Leuten
    Die von Klugheit schwatzen
    Und List meinen

    sagt Galsan Tschinag

    und ansonsten bin ich froh, dass ich konsequente autofahrerin bin.
    da muss ich meine bücher nicht so oder so halten,
    um mein eitelchen zu bedienen.
    die im nachbarauto sehen nicht, was ich lese.

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