Weblog & Podcast von Volker Strübing

Brille uff

Datum: 29.06.11
Kategorien: Sonst so, Zumutungen

Ich erschrecke seit gestern jedesmal, wenn ich an einem Spiegel oder einer Schaufensterscheibe vorbeikomme und mich darin sehe. Huch!, denke ich dann immer. Ich habe nämlich seit gestern eine neue Brille, und sie sieht sehr anders aus als alle Brillen, die ich vorher hatte. Statt meiner üblichen kleinen, runden Drahtbrille ist es so ein Gestell „wie jetzt alle haben“, wie es jemand gestern kurz und treffend beschrieb. Dicker schwarzer Rahmen, große Gläser, eine Brille, die ganz laut „BRILLE!“ ruft, eine Brille, für die ich in meiner Jugend (zu Recht?) auf dem Schulhof verkloppt worden wäre, eine echte ZDFkultur-Brille, was freilich passend ist, da MonstaMovies und ich demnächst hoffentlich etwas für diesen Sender drehen werden.

Jedenfalls sehe ich mir überhaupt nicht mehr ähnlich. Bekannte erkennen mich wundersamerweise noch, aber ichselbst erkenne mich nicht, beziehungsweise erst nach oben beschrieben Huch!-Moment. Und dann frage ich mich, was ich mir gedacht habe, als ich ich im Brillenladen für dieses Modell entschieden habe. Klar, ich wollte nach zwanzig Jahren, die ich einem Brillendesign treu war, mal anders aussehen. Aber trotzdem …

Mir ist dann auch aufgefallen, was für ein teuflisches Verkaufskonzept Brillenläden haben: Um eine Brille aufzuprobieren, muss man die alte Brille abnehmen und das mit Fensterglas ausgestattete Vorführmodell aufsetzen – und sieht nur noch Schemen. Und wenn man die Brille abholt, kommt der große Schreck. Das einzige Gestell, das ich wirklich ausprobieren konnte, war dieses utopische Terminator-Steampunk-Ding, mit dem sie die Sehstärke prüfen, aber das wollten sie mir nicht verkaufen.

Uli Hannemann meinte gestern: “Naja, irgedwann gewöhnen wir uns vielleicht daran. Und dann finden wir dich bestimmt schön.” Ich mich hoffentlich auch.

(Neue und alte Brille. Ein Foto von mir mit Brille auf traue ich mich noch nicht zu posten …)

(VS)

PS: Wegen der Überschrift … eine kurze, representative Umfrage unter 4 Personen ergab, dass zumindest Ostdeutsche mit einem Mindestalter von 33 Jahren den Ausspruch “Dann haste die Brille uff” kennen. Jüngeren Menschen scheint er unbekannt zu sein. Ich werde mein Leben der Aufgabe widmen, ihn wieder fest in der deutschen Sprachkultur zu etablieren.

10 thoughts on “Brille uff

  1. wegen genau diesem brillenverkaufskonzept, hatte ich plötzlich mal eine brille, mit einer anderen farbe, als ich dachte.. glücklicherweise ist sie mittlerweile kaputt gegangen (oder doch ‘kaputt gegangen’? ;)
    unverschämter geschäftszweig, der sich so stark an den behinderungen anderer bereichert!

    ps: machs doch mal wie dein bandkollege, und slamme in bielefeld! bittööö!

  2. aber dein leben ist doch eh voller huch-momente. du bist doch ein einziger huch, volker. die brille hat ich auch mal bis ich nicht mehr so eine brille haben wollte, die alle haben.

  3. Ich drücke dir die Daumen wegen dem ZDF und Danke für die Warnung. Im September darf ich nach 5 Monaten Wartezeit zum Augenarzt und dann werde ich wahrscheinlich auch die Brille aufhaben. Amtlich!

  4. ich bin fröhliche 23 jahre alt und trage diesen ausspruch in meinen aktiven wortschatz mit mir herum. gerade mein vater ist großer verfechter dieser redensarten. wenn er nicht gerade sagt “da haste abor de brille off” (ich komm mehr so ausm tiefsten sachsen …), dann sagt er “da guckste dumm aus dor wäsche”.

  5. Noch keine 33, in Ostberlin geboren und aufgewachsen (und wohnhaft). Ich kenne den Spruch. ;-) Entweder ist deine These jetzt im Eimer, oder ich bin die bestätigende Ausnahme. :-P

  6. Oh man, Volker. Hättest du deine olle Brille noch ein Jährchen getragen, dann hättest du dich damit wohl schon bald als Trendsetter fühlen können.

    Was diese Hornbrillen angeht: So richtig würdevoll sind die doch (heutzutage!) nur, wenn echt-original® in den 80ern in der DDR gekauft. So wie das Modell vom geschätzten Che Guevara-Chauffeur Jean Ziegler.

    Dieser ModePrimbatz von heute ist doch völliger Schnulli. Kein Mensch, der das Morgen gestalten wird, hat heute so eine Brille auf!

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