Weblog & Podcast von Volker Strübing

Betroffenheits-Shopping?

Datum: 21.01.07
Kategorien: Unterwegs, Zumutungen

Ausstellungen in Shopping-Centern sind ja nichts Neues. Manchmal sind sie sogar recht interessant.
In einem Center in Sachsen-Anhalt fand einmal eine Weltraumausstellung statt, die ich recht gelungen fand. Sie hatten sogar einen echten russischen Kosmonauten zum Begaffen eingeladen. Einer der Manager des Einkaufszentrum wohnte im selben Haus wie mein Vater, den ich gerade besuchte. Abends gab es jede Menge Getrappel im Hausflur. Wir erfuhren schließlich, dass der Manager den Kosmonauten noch zu sich nach Hause genommen und ein paar Freunde für eine private Kosmonautenbesichtigung eingeladen hatte … Irgendwie traurig. Dieser Mann war einmal ganz oben gewesen, hatte auf alles hinabschauen können, hatte die ganze irdische Schwere verloren … und war für die Untengebliebenen dadurch zu einer Art Freak geworden, den man herumzeigt.

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Im Hauptbahnhof Leipzig – einer Shopping-Mall mit Fernbahn-Anbindung – werden gerade Fotos gezeigt, die für den World Press Photo Award 2006 nominiert waren. Viele der Fotos beschäftigen sich mit Not, Krieg und Katastrophen. So kann man sein “Einkaufserlebnis” noch mit einem wohligen Grusel aufpeppen.

Man hat sich Mühe gegeben, die Bilder passend aufzuhängen:

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Kaffee hat ja auch irgendwie was mit Afrika zu tun.

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Wo könnten Bilder von der Überführung und Bestattung im Irak gefallener Soldaten besser hängen, als vor dem “Forever 18”-Laden? Die Jungs werden schließlich nicht mehr älter.

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Nanunana, mag diese Passantin denken …

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… warum hat er die aufgedunsenen Leichen der Tsunami-Opfer denn nicht in Farbe fotografiert? Das hätte doch viel besser ins Ambiente gepasst!

Tut mir leid, dass dieser Beitrag so zynisch ist, aber alles andere wäre doch unangemessen, oder?! Ich gehe davon aus, dass die Veranstaltungsmacher nur Gutes im Schilde geführt haben. Der Gedanke war sicher, dass man in einer Shopping Mall mehr Leute erreicht, als mit einer Austellung in irgendeiner Galerie. Aber erreicht man hier wirklich mehr Leute? Oder sehen es bloß mehr? Was bewirkt diese Ausstellung bei den Leuten, die sie sehen? Für die einen mag es die willkommene Gelegenheit sein, ihren Einkaufsbummel mit ein bisschen Gewissensarbeit ethisch aufzuwerten (man hat ja nicht nur Schnulli gekauft, sondern auch noch ein bisschen über die Schlimmheit der Welt den Kopf geschüttelt und geseufzt), für die anderen ist es einfach eine kleines Spektakel, dass man zwischendurch gerne mitnimmt, so wie im Monat davor die Modelleisenbahnausstellung und im nächsten Monat “Gartenzwerge – ein deutscher Mythos” (oder was weiß ich).

(Volker Strübing)

4 thoughts on “Betroffenheits-Shopping?

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