Weblog & Podcast von Volker Strübing

Google kills Goethe

Datum: 24.08.06
Kategorien: Literatur / Lesebühne / Poetry Slam, Neulich in der Kneipe, Schnipselfriedhof

Hab ich gestern Abend in der Kneipe doch in meinen Muscote-Blättchen einen Spruch von Hanz Werfel gelesen: “Müßiggang ist allen Geistes Anfang”. Hab ich gedacht: Stimmt ja gar nicht!

Hab ich weiter gedacht: Außerdem heißt das doch eigentlich: “Müßiggang ist aller LASTER Anfang”! Hab ich gedacht: Na, das ist ja nun auch Humbug.

Hab ich mich gefragt: Ist nicht die Stoßstange aller Laster Anfang? Hab ich beschlossen, diese Frage unter der Überschrift “Versuch einer Rehabilitierung des Müßigganges” ins Weblog zu stellen.

Hab ich gedacht: Aber wem ist eigentlich damit gedient, wenn ich diesen Murks ins Internet stelle? Ist mir eingefallen, dass der Werber Jean Remy von Matt gesagt hat, dass Weblogs die Klowände des Internets sind. Hab ich gedacht: Auf Klowände kann man ja wohl auch mal blöde Sachen schreiben. Das ist immerhin besser, als blöde Sachen auf riesige Plakatwände zu schreiben, wie J.R. “Geiz ist geil” von Matt das macht.

Hab ich das also geschrieben. Hab ich dann gedacht: Hm. Guckste doch mal bei Google – bloß um sicher zu gehen -, ob diesen genialen Gedanken (also den mit der Stoßstange und dem Laster) schon mal jemand vor dir hatte …

528 Treffer.

Google ist aller Gedanken Ende. Alles schon mal dagewesen. Nicht nur alles schon mal gedacht. Auch schon alles fleißig ins Internet reingeschrieben.

Hab ich gedacht: Goethe hatte es gut. Der hatte noch kein Google. Hat einfach frei von der Leber weg geschrieben. So Sachen wie “Das also war des Pudels Kern”. Hätte er’s bei Google eingegeben, hätte er 155.000 Treffer gefunden, mit Schreiben aufgehört und aus.

Ich hab ja leider Google. Kann ich also meinen Kopf zu machen und alle Gedanken als Gebrauchtwaren bei Ebay versteigern. Werd ich wahrscheinlich feststellen, dass diese Idee auch schon andere hatten und dass der Gebrauchtgedankenmarkt total gesättigt ist.

Hab ich gedacht (wahrscheinlich nicht als erster): Halt! Gib nicht auf! Du kannst das schaffen! Du denkst Dir jetzt einen Satz aus, den es noch nicht gibt! Hab ich drei Stunden oder so unter der kalten Dusche überlegt (Warmwasser gibts grad nicht) und präsentiere hiermit Stolz das Ergebnis:

“Benutzte Gedanken hüpfen in meinem Kopf herum wie aufgescheuchte Hühner und kacken alles zu.”

Naja. Wie sagte der Kellner, als er mir gestern in der Kneipe eine neue Kerze brachte? “Hier hast Du noch ein kleines Licht.” Hab ich mir “das kleine Licht” angeguckt und gedacht: Na super. Gleich und gleich gesellt sich gern …

 

9 thoughts on “Google kills Goethe

  1. “Benutzte Gedanken hüpfen in meinem Kopf herum wie aufgescheuchte Hühner und kacken alles zu.”

    – Spitzenmäßig! damit haste Google, Goethe und sowieso der ganzen Welt ein Schnippchen geschlagen.

  2. Hey Volker,
    ich hab mir mal bei eBay ne Schreibblockade gekauft.
    Die war auch schon gebraucht, ging aber noch super!

  3. es gibt schön Wahrianten, Dinge ins Jetz zu hellen, und dabei sichzuer gehen, dass dear niemand zuvorgecomment ist (Zugegebene Massen , kanz scheel gezwungern wirrken). Lachte mir, wähn ich schneue Wörtfein herrfinde, quelche bisslang noch kleiner fairwändert hat, dann frei ich der Ernste. Joch feit gefällt, hauch meine Erstsatzbefriedigungen (ne Art Werdbesttatungen für zungkünftige Wortschaften) trummeln siech im Wehwehweh. Zwar als Druckfalsche (Zoo versmute ich),loch was zoll man taritara zagen, flenn andere, par hasard quatschsi, pfinden, was der Poetry-Slummer hin gebungsvolleer Nachtbarkeit schmaus feinen Singern saut!

  4. Wenn mann ,,Benutzte Gedanken hüpfen in meinem Kopf herum wie aufgescheuchte Hühner und kacken alles zu.”
    bei Google eingibt landet er 3 treffer! aber nix mit schnipselfriedhof! :(

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